: Bremens Zukunft aus grüner Sicht
■ Wahlprogramm für Rot-Grün / „Kein Programm der Unverbindlichkeit“
“Es ist kein Wunschzettel aller ökologischen Träume. Es ist kein Programm der Unverbindlichkeiten, sondern der Versuch, Machbares vorzuschlagen, das im Kern auch finanziert werden kann.“ Sichtlich zufrieden präsentierte gestern Vorstandssprecher Dieter Mützelburg den 40seitigen Programmentwurf der Grünen, der über Monate von einer Programmkommission erarbeitet und bis zuletzt wie eine geheime Kommandosache unter Verschluß gehalten worden war. Ein Regierungsprogramm für eine rot-grüne Koalition, mit dem einige Grüne geliebäugelt hatten, ist es nicht geworden, aber auch kein Programm, mit dem unüberbrückbare Gegensätze zwischen den Grünen und der SPD festgeschrieben würden.
Wie auch die SPD legen die Grünen einen besonderen Schwerpunkt auf die Frage, wie Bremens Selbständigkeit erhalten werden kann. Jedenfalls nicht so, wie es der SPD-Senat derzeit versucht, lautet die Teilantwort: „Die Anpassung an den Bundestrend wurde zum Wahlspruch des Senats. So wird die Eigenständigkeit Bremens schon aufgegeben, bevor sie politisch verloren ist.“ Die Grünen dagegen setzen auf eine Politik, die Zielkonflikte entscheidet und Prioritäten für eine ökologische Stadtentwicklung, bessere Lebenschancen für sozial Benachteiligte und mehr Demokratie setzt. Kommisions-Mitglied und Hauptautor Ralf Fücks: „Die Nähe von Politik und Bevölkerung, von Senat und Bürgerschaft, könnte eine Stärke für die Zukunft sein.“
In der Beurteilung der Finanzsituaion und den Forderungen nach mehr Geld vom Bund und den Ländern stimmen die Grünen mit der SPD überein. Mit dem knappen Geld im Bremer Haushalt aber sollen deutlicher politische Schwerpunkte gesetzt werden als bislang. Als Musterobjekt für den ökologischen Stadtumbau bringen die Grünen eine Idee neu ins Spiel, die vom Senat vor Halbjahresfrist im Schnellverfahren erledigt wurde. Unter dem Namen „Demonstrativbauvorhaben Öko-Stadt“ wollen die Grünen die Umnutzung des Europahafens für Wohnen und Gewerbe wiederbeleben, ein Modellprojekt mit Ausstrahlung in die ganze Bundesrepublik, wie Fücks schwärmt. Wirtschafts-Förderungs-Mittel, die der Senat in der Vergangenheit häufig für finanzstarke Großunternehmen ausgab, wollen die Grünen benutzen, um sechs „Technologie-Netzwerke“ zu errichten, in denen Industrie, Handwerk, öffentliche Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen zusammenarbeiten sollen.
„Weg von den veralteten Kämpfen“, so beschrieb Kommissionsmitglied Helga Trüpel die neue grüne Position in der Schulpolitik. Bestandschutz für die Gymnasien, den Ausbau der Grundschule zur Halbtagsschule mit Mittagessen und die Weiterentwicklung der Sekundarstufe I-Zentren zu Stadtteilschulen sollen die Bremer Bildungspolitik zu neuen Ufern führen.
Auch in den Bereichen Kultur- und Kindergartenpolitik hat die Bremer Finanzkrise ihre Spuren im grünen Programm hinterlassen. Nicht mehr „alles und zwar sofort“ lautet das Schlagwort, sondern schrittweiser Ausbau. Der Kulturbereich soll in den kommenden Jahren jährlich um 15 Millionen (“keine Unverschämtheit“) aufgestockt werden. Inhaltlich wünscht sich Trüpel einen Schwerpunkt im Theaterbereich und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden und der Universität, beispielsweise durch ein Stadthaus für die Uni.
Für die Kindergärten fordern die Grünen „perspektivisch“ einen Platz für jedes Bremer Kind. Da dies aber nicht „von heute auf morgen“ zu schaffen sei, fordern die Grünen ein finanziell abgesichertes Programm bis 1995.
„Das Machtmonopol der SPD muß fallen“, beschreiben die Grünen ihr Wahlziel. Dagegen beschreibt Fücks die Vision von „Bremen als einer Stadtrepublik, die das , was an Geld fehlt, durch Eigeninitiative der Bürger wettmacht.“ Ob das alle Grünen so sehen, entscheidet sich am 9. Mai, wenn die Landesmitgliederversammlung den Programmentwurf berät. hbk
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