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Neo-Nazis greifen israelische Schüler an

■ Deutsch-israelischer Jugendaustausch von Vorfall im Park überschattet

“Wir wußten, daß es so etwas gibt in Deutschland“, sagt Motti D., „wir haben aber nicht gedacht, daß wir so etwas sehen werden.“ Mit „so etwas“ meint Motti, 16jähriger Schüler aus Haifa, Neo-Nazis in Deutschland. Er hat sie jedoch nicht nur gesehen, sondern nachts in einem Bremer Park auch hautnah erlebt: Drei oder vier Jugendliche seien im Dunkeln auf ihn und seinen Freund losgegangen, hätten sie als „PLO- Juden“ beschimpft und am Kragen gepackt. Nur weil ihnen ihre ebenfalls 16jährigen Gastgeber zu Hilfe kamen, habe eine Schlägerei verhindert werden können.

Motti und sein Freund Nir gehören zu einer Delegation von 20 SchülerInnen, die seit Samstag zu einem deutsch-israelischen Jugendaustausch in Bremen sind. Zusammen mit ihren Bremer Gastgebern waren sie auf dem Nachhauseweg von einer Party, als die „Boys“ (Nir: „Sie sahen ganz normal aus“) sie angriffen. Nach Auskunft ihrer Bremer Begleiter, die die Jugendlichen zum Teil kannten, sei die Gruppe den Neo-Nazis zuzuordnen. Einer von ihnen habe arabisch gesprochen. Die israelischen Jugendlichen gehen deshalb auch davon aus, daß ihnen nicht gezielt aufgelauert wurde, sondern daß der Araber sie habe hebräisch sprechen hören.

„Das war ausgerechnet an unserem ersten Tag, und ausgerechnet an Hitlers Geburtstag“, betonen die Schüler des französischen Gymnasiums in Haifa. Neben allen anderen Eindrücken ihrer ersten Deutschlandreise hat dieser Vorfall sie so aufgewühlt, daß sie im Gespräch mit der taz vor allem davon sprechen. Auch die vielen Hakenkreuze und rechtsradikalen Sprüche in Fahrstühlen und an Häuserwänden haben sie erschreckt. Zwei ihrer Mitschüler hatten die Deutschlandreise übrigens ganz abgesagt, als während des Golfkrieges im Fernsehen deutsche Neo-Nazis zu sehen waren, die sich über die Israelis mit ihren Gasmasken lustig machten.

Gestern nachmittag trafen die 20 Jugendlichen an der Gedenkstätte des Lagers Obernheide mit den ehemaligen Zwangsarbeiterinnen zusammen, die zur Zeit ebenfalls auf Bremen-Reise sind. „Für uns ist es das erste Mal, daß wir die Stätten des Holocaust sehen, die wir in Israel ja nur aus Büchern kennen“, erzählen die Schüler. Ihre Eltern hätten sie deswegen auch nach Deutschland geschickt. Mit den deutschen SchülerInnen könnten sie kaum über den Zweiten Weltkrieg sprechen, „die lernen das erst viel später als wir.“ Und die Eltern in den Gastfamilien würden ihren Versuchen oft ausweichen.

„Der Jugendaustausch hat sich als eine sehr tragfähige Basis zur Völkerverständigung erwiesen“, berichtet unterdessen Lehrer Berthold Buchwald, der den Schüleraustausch mit Bremens Partnerstadt Haifa seit seinen Anfängen 1983 mitorganisiert. Im Vergleich zu anderen Austauschen seien die intellektuellen Ansprüche an die Teilnehmer der Israelreisen jedoch recht hoch: Es sei schwierig, die Auseinandersetzung mit Geschichte, gar mit biblischer Geschichte oder mit der des 3. Reiches, an die Schüler heranzubringen, meint Buchwald. ra/jdv

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