piwik no script img

Großes Interesse an Auswanderung

■ Von Magdeburg nach Australien — Ostdeutsche suchen nach der Maueröffnung vermehrt Rat bei Berliner Auswandererberatungsstellen/ Aber die Chancen fürs ferne Glück sind eher gering

Berlin. Seit der Maueröffnung sind die beiden Berliner Auswanderberatungsstellen — neben einem entsprechenden Anlaufpunkt in Potsdam die bisher einzigen ihrer Art diesseits der Elbe — bei Ostdeutschen stark gefragt. Vor allem mit einem Wunsch kommen Familien, Gruppen von Jugendlichen und Ledige aus Sachsen und Mecklenburg in den Westteil der Stadt: Sie wollen der Ex-DDR für Jahre oder in manchen Fällen auch für immer den Rücken kehren. Ein sächsisches Arztehepaar drängt es nach England, ein 17jähriger möchte in einem islamischen Land Fuß fassen, zwei EDV-Spezialisten aus Magdeburg haben mit ihren Kindern Pläne für Australien.

Die Gründe für den Weggang sind mannigfaltig, weiß Beraterin Elisabeth Klotz-Zengin vom Verein für internationale Jugendarbeit zu berichten: Endlich mal die Welt sehen, berufliches Weiterkommen, auch soziale Bedenken klängen da und dort im Gespräch an. Trotz des beträchtlichen Interesses, mit Sack und Pack auszuwandern, kommen nur wenige tatsächlich im Land ihrer Träume an. Das liegt vor allem an den Auswanderungschancen, die im Einzelfall manchmal »nicht sehr groß« seien.

Daß Auswanderung nach dem Grundgesetz prinzipiell möglich, dennoch an konkrete Bedingungen geknüpft ist — auf diesen Zusammenhang müssen die Berater die in dieser Hinsicht unerfahrenen neuen Bundesbürger deutlich hinweisen: Die klassischen Einwanderstaaten nehmen Ausländer nur nach bestimmten Richtlinien und Quoten auf (Die Bundesrepublik Deutschland macht da im übrigen keine Ausnahme).

Orientiert wird ferner auf perfekte Sprachbeherrschung, auf ein anpassungsfähiges Alter (unter 35 Jahre) und bestimmte Berufe. Auch ein gewisses Geldpolster, so eine Erfahrung von Frau Klotz-Zengin, könne dem Start in Australien, den USA und anderswo durchaus dienlich sein.

Woche für Woche finden bis zu 20 ehemalige DDR-Bürger persönlich den Weg zum Verein, der im Auftrag der evangelischen Kirche in 1000 Berlin 90, 33 (Tel: 8316034/5) tätig ist. Tägliche Anrufe und Briefe unterstreichen das rege Interesse. Eine weitere Berliner Informationsstelle arbeitet im Auftrag des Kölner Bundesverwaltungsamtes in der Gustav-Stresemann-Straße 66 (2619033). Hier werden Interessenten im Sinne des staatlichen Auswandererschutzes vom Raphaelswerk der katholische Kirche betreut. Hans-Werner Oertel (adn)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen