Buletten für Berlin

■ Berliner FDP lud Parteifreude aus der Provinz zu einem »Kreuzgang« durch den neuen Regierungssitz/ Beim Ausflug in den Kreuzberger Kiez bestaunten die Parlamentarier die Sanierungsleistungen am Chamissoplatz

Mitte. Natürlich gab es kalte Buletten mit Senf. Erst beim Imbiß im Springer-Hochhaus, dann beim »Paddenwirt« im Nikolai-Viertel. Die Berliner FDP schreckte vor konventionellsten Methoden nicht zurück, als es am Dienstag abend galt, Parteifreunde aus dem Bonner Bundestag von den Vorzügen eines Regierungssitzes Berlin zu überzeugen.

Die Berliner FDP hatte Glück, Schaden konnten die Buletten kaum anrichten. Jetzt schon sind die Bonner FDP-Parlamentarier ganz offensichtlich in ihrer Mehrheit für Berlin und genauso sah es auch unter den Bonnern aus, die gestern der Einladung ihrer Berliner Freunde folgten und sich durch Kreuzberg führen ließen. Es waren — genau genommen — drei Abgeordnete, die sich einfanden zu dem, was Gisela Babel aus dem hessischen Marburg als »Kreuzgang« bezeichnete.

Trotz ihres Schandmauls zeigte sich Babel als treue Berlin-Freundin, genauso wie Eva Pohl mit Wahlkreis in Pößneck/Thüringen. Gerne ließen sich beide die großen Sanierungsleistungen rund um den Chamissoplatz vorführen. Eva Pohl konnte sogar eigene Erinnerungen beisteuern: »Oh, das Pissoir steht ja immer noch.«

Eine Tante wohnte in der Arndtstraße, deshalb habe sie schon als Kind am Chamissoplatz gespielt, erläuterte die Thüringerin. Für Gisela Babel war der Kreuzberger Kiez etwas Neues — doch diese Wissenslücke brauchte niemanden zu verwundern. Frau Babel ist geboren in Berlin und im feinen Zehlendorf aufgewachsen, was von Kreuzberg bekanntlich weiter entfernt ist als Moskau von Paris.

Eine Stunde dauerte der Rundgang und erst anschließend stießen endlich einige ausgemachte Bonn-Befürworter zu der Runde. »Ich bin für Bonn als Regierungssitz, weil ich ein Berlin- Freund bin. Diese Stadt wäre mit dieser Aufgabe gänzlich überfordert«, konstatierte Hans-Joachim Otto aus Frankfurt. Hans Martin Tillack