: Berlins CDU mächtig stolz auf Kohl
■ Aber auch die anderen Rathausparteien freuen sich über das Kanzler-Wort für Berlin/ Verfassungsorgane einigen sich auf Verfahren
Berlin. Die Berliner Ehrenbürgerwürde hätte Helmut Kohl jetzt redlich verdient, doch darüber sprach man im Senat gestern noch nicht. Die Nachricht von Kohls Votum für Berlin als Regierungssitz habe in der gestrigen Senatssitzung »ungeteilte Freude« ausgelöst, versicherte Vize- Senatssprecher Eduard Heußen. Bürgermeister Eberhard Diepgen ließ sich von der Freude nicht übermannen, sondern verschickte noch eine selten geschraubte Ode an den Kanzler. Kohl, so Diepgen, habe »eine ausgewogene politische Position mit historischer Perspektive eingenommen, die nach vorne weist«. Der Kanzler habe bewiesen, so der Ko-Kommentar von CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, daß die CDU »ihre patriotische Kompetenz behalten will«.
Nüchterner blieben die anderen Berliner Parteien. Von einem »längst überfälligen« Votum sprach FDP- Chefin Carola von Braun. Kohls Wort komme »nicht zu spät«, sei aber »längst fällig« gewesen, erklärte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt. Um das »zerstörte Vertrauen vieler« Berliner in die Politik der Bundesregierung wiederherzustellen, sei von Bundeskanzler Kohl mehr gefordert. Die Hilfe für Berlin, so Staffelt, dürfe »nur in einem der Stadt bekömmlichen Ausmaß« abgebaut werden. SPD-Chef Walter Momper hofft, daß die Diskussion »jetzt von allen Seiten offen und fair zu Ende gebracht wird«. Die Chancen Berlins sind in seinen Augen gestiegen.
Als größte Hauptstadt-Freunde weit und breit entpuppte sich die Fraktion Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus. Der Umzug der Regierung nach Berlin könne »nicht erst in zehn Jahren« beginnen, bemängelten Renate Künast und Wolfgang Wieland. Berlin und sein Umland benötigten den Umzug »heute«. Der »Abgeordnete Kohl« habe in punkto Regierungssitz gestern »Courage« gezeigt. Nun sei »der Kanzler Kohl« gefordert, dieses Votum umzusetzen.
Die Repräsentanten der Verfassungsorgane und Vorsitzenden der Bundestagsparteien haben sich gestern in einem Spitzengespräch in Bonn auf ein Verfahren zur Entscheidung über den künftigen Parlaments- und Regierungssitz geeinigt.
Der Bundestag soll am 20. Juni per Beschluß die Grundsatzfrage, ob Bonn oder Berlin Regierungssitz bleibt oder wird, entscheiden, sagte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth nach dem fast zweistündigen Treffen. Der Bundesrat solle kurz darauf zusammentreten und ebenfalls entscheiden. Wünschenswert wäre der 21. Juni, betonte sie. Danach solle ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gebracht werden. Damit wäre der Bundesrat in die Entscheidung einbezogen. Bundesratspräsident Henning Voscherau (SPD) meinte, die Entscheidung der Hauptstadtfrage laufe derzeit auf Berlin hinaus. hmt/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen