: Amazonas-Urwald aus der Sahara
Eine Gruppe US-amerikanischer, brasilianischer und schwedischer Ökologen sorgt gegenwärtig für einigen Aufruhr in Wissenschaftskreisen. Sie behaupten nämlich, wertvolle Nährstoffe aus der Sahara und Sahelzone wandern über den Atlantik, um die üppige Vegetation des Amazonasbeckens zu nähren. Gewaltige, an Nährstoffen reiche Staubwolken wirbelt der Wind jedes Jahr aus der Sahara und Sahelzone auf. Die Wissenschaftler, die sich in einem Forschungsflugzeug der Nasa auf die Fährten des Wüstenstaubs begaben, meinen nun, der kostbare, afrikanische Boden regne im Amazonasbecken zurück zur Erde. „Wie ein gewaltiger Staubsauger“, stellt Meteorologe Michael Garstang von der Universität Virginia fest, „saugen die Regenstürme des Amazonas die über dem Atlantik hängenden Staubwolken ein“.
Tropen-Ökologen ist bisher unklar, wie sich auf den nährstoffarmen Böden des Amazonas die üppige Dschungelvegetation entfalten kann. Besonders auffällig ist der Mangel an Phosphaten, die für das pflanzliches Wachstum wichtig sind. Andererseits haben sich die Ökologen wiederholt über einen plötzlichen, örtlich begrenzten Nährstoffreichtum im Regenwald gewundert.
Etwa 200 Millionen Tonnen Erde gehen der Sahara und Sahelzone jährlich flöten. Forscher schätzen, daß davon jährlich zwölf Millionen Tonnen den Amazonas erreichen.
Transatlantische Bodenaufbesserung dieser Art ist nicht neu. Ökologe Joseph Prospero behauptet schon lange, daß „ein guter Teil“ der Erde auf der Karibikinsel Barbados aus der Sahara stammt. Und angeblich ist sogar Miami nach einem schweren, auf eine Trockenperiode folgenden Regenfall von rotem, afrikanischen Staub überzogen.
Doch die Dschungel des Amazonas ein Produkt afrikanischen Bodens? Ohne den Import von Nährstoffen, vermuten die Wissenschaftler, wäre das Amazonasbecken nicht von Regenwäldern, sondern von einer Graslandschaft bedeckt. Auch einige Paläo-Ökologen finden die Theorie plausibel. Sie wissen, daß die Sahara- und Sahelregion vor 15.000 Jahren grün und naß war. Den Atlantik überquerende Staubwolken wird es zu der Zeit kaum gegeben haben. Auch das Amazonasbecken sah damals anders aus als heute: Wälder überzogen nur einen kleinen Teil des Gebiets.
Gibt es hier eine Verbindung? Garstang meint ja. Er hat errechnet, daß die Amazonaswälder etwa 10.000 bis 15.000 Jahre brauchen, um die heute in ihrem Boden und Bäumen enthaltenen Phosphate anzureichern.
Garstangs mutige Theorie wird gründlich unter die Lupe genommen und heftig kritisiert. Andere Ökologen reagieren noch vorsichtig auf die „sehr interessante Spekulation“. Immerhin ist es das erste Mal, daß eine so enge Verflechtung zwischen zwei so unterschiedlichen und weit voneinander entfernten Ökotopen vermutet wird. Silvia Sanides
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen