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Atomlobby fordert Wende bei der SPD

■ Bayernwerk will Freibrief vor AKW-Bau im Osten/Opposition soll die energiepolitischen Festlegungen der Regierung respektieren/Greenpeace protestiert auf Brandenburger Tor

Berlin (ap/afp/taz) — Die bundesdeutschen AKW-Betreiber verlangen eine atompolitische Kehrtwende von der SPD, bevor sie elf Milliarden Mark in zwei neue Atomkraftwerke in Ostdeutschland investieren. Die SPD müsse die „energiepolitischen Entscheidungen der jetzigen Bundesregierung auch in Zukunft respektieren“, forderte das Vorstandsmitglied der Bayernwerk AG, Eberhard Wild, am Dienstag in Bonn.

Die SPD hatte sich auf dem Nürnberger Parteitag 1986 auf den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft festgelegt. Wild machte deutlich, daß die Stromkonzerne sich kein „zweites Kalkar“ leisten wollten und könnten. Die Bundesregierung hatte im März beschlossen, das Projekt des schnellen Brüters in Nordrhein-Westfalen nicht weiter zu verfolgen.

Für den möglichen Bau von zwei neuen Atomreaktoren an den Standorten Greifswald in Mecklenburg- Vorpommern und Stendal in Sachsen-Anhalt, den die drei größten AKW-Betreiber RWE, die PreussenElektra und das Bayernwerk gemeinsam in Angriff nehmen wollen, soll noch in diesem Jahr das Genehmigungsverfahren beantragt werden.

Aber erst wenn das Verfahren voraussichtlich Mitte 1993 abgeschlossen sei, werde in die Projekte investiert, so Wild.

Seit der Vereinigung sei der Stromverbrauch in der Ex-DDR um 35 Prozent zurückgegangen, berichtete der Strommanager. Bis zum Jahr 2000 aber hoffen die Stromkonzerne, daß der Verbrauch zumindest wieder auf das Niveau von 1989 ansteige. Die neuen AKWs wären nicht vor Ende 1998 betriebsbereit.

Wenn man aus der Atomenergie aussteigen wolle und gleichzeitig den Kohlendioxid-Ausstoß vermindern wolle, müßten 40 Prozent anderweitig eingespart werden. „Das ist, selbst mit extremstem Energiesparen, nicht vorstellbar“, glaubt Wild.

Greenpeace besetzte Brandenburger Tor

Aus Protest gegen den geplanten AKW-Bau in Ostdeutschland sind am Dienstag zehn Mitarbeiter der Umweltschutzorganisation Greenpeace auf das Brandenburger Tor in Berlin geklettert. Ein Greenpeace- Sprecher teilte mit, die Aktivisten hätten ein Transparent mit der Forderung „Energie für den Osten — ohne Atomkraft“ entrollt. Mit den beiden geplanten Atomkraftwerken Stendal und Greifswald wolle die „westdeutsche Atomwirtschaft“ neue Märkte „im Handstreich“ erobern und ein „großdeutsches Atomreich“ errichten. Über diese beiden Anlagen würden die westdeutschen Energieversorgungs-Unternehmen nun auch den osteuropäischen Strommarkt in Polen, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion erschließen. Die FNL brauchten keine neuen Atomkraftwerke, argumentierte der Greenpeace-Sprecher. Zudem käme das Auftragsvolumen von 14 bis 16 Milliarden DM vor allem der westdeutschen Atomindustrie zugute.

Für die ostdeutschen Bürger blieben nur die unqualifizierten Arbeitsplätze. Mit den Milliarden könnte besser ein Teil der Kohlekraftwerke auf modernste Technik umgestellt und ein umfassendes Fernwärmenetz in den großen Städten errichtet werden. So könne mit dezentraler Energieversorgung und alternativen Energien die intelligente Energiezukunft eingeleitet werden, erklärte der Sprecher. ten

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