: Jugoslawien
■ Betr.: "Von Jasenovac wollen die meisten Kroaten nichts mehr wissen", taz vom 16.4.91
betr.: „Von Jasenovac wollen die meisten Kroaten nichts mehr wissen“ von Erich Rathfelder,
taz vom 16.4.91
Der bemerkenswerte, objektive und ausführliche Artikel über die gegenwärtige Situation in Kroatien und die damit zusammenhängende angespannte, ja bürgerkriegsähnliche Situation in Jugoslawien bedarf einiger kritischer Bemerkungen.
Beim Lesen dieses Artikels entsteht der Eindruck, als ob diese kritische Lage in Jugoslawien auf den neu aufkommenden kroatischen Nationalismus zurückzuführen wäre. Immerhin handelt es sich in Kroatien um eine aus demokratischer Wahl hervorgegangene Regierung, die mit ihr zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln einen Rechtsstaat für alle Bürger Kroatiens zu schaffen versucht. Die von den sogenannten serbischen Aufständischen errichteten Straßensperren und der Straßenterror gegen kroatische Polizei, aber auch gegen völlig unbeteiligte Touristen, würden in jedem westlichen Rechtsstaat als terroristische Aktivität behandelt werden. Die Regierung in Kroatien duldet diese Aktivitäten und ist seit einem Jahr bemüht, diese Probleme repressionsfrei zu lösen. Daß die Ausrufung des sogenannten Serbischen Autonomen Gebiets Krajina (SAO) finanziell und militärisch (Waffenlieferung) aus Belgrad unterstützt und gesteuert wird, ist offenbar und schon lange in Jugoslawien bekannt.
Nun zu einigen Aspekten des Artikels, die eine verzerrte Darstellung, sicher unbeabsichtigt, der historischen Tatsachen sind.
„Im Gegensatz zu Kroatien lehnten sich die Serben gegen Hitler und Mussolini auf.“ Erstens war der antifaschistische Widerstand in Kroatien sehr früh entstanden und wurde von Kroaten getragen. Zweitens, genausowenig wie alle Kroaten waren alle Serben am Widerstand gegen die Besatzungsmächte (Deutschland — Italien)b beteiligt. Daher ist der entstandene Eindruck (Kroaten=Kollaborateure, Serben=Widerständler), vielleicht von bestimmten serbisch-nationalistischen Strömungen eine willkommene Darstellung für ihre Hetze gegen Kroatien, entspricht aber keineswegs den historischen Tatsachen.
Ein weiteres Beispiel ist der Satz: „...zur Tschetnik-Bewegung, die versuchte, zunächst auf lokaler Ebene ihre Landsleute gegen den Terror der Ustascha zu verteidigen.“ Eben diese Behauptung ist falsch, da der Terror von Tschetnik ein Bestandteil der großserbischen Politik war, und sich sehr früh gegen kroatische und muslimische Bevölkerung, vor allem in Bosnien und Herzegovina, richtete und nicht als Reaktion auf den Terror von Ustascha entstand.
Übrigens ist die Tschetnik-Bewegung seit ein paar Jahren in Serbien wieder salonfähig geworden, die sich offen für den Terror gegen die nichtserbische Bevölkerung einsetzt. Auch die Rolle der katholischen Kirche während des Ustascha- Regimes in Kroatien ist bislang von der These der engen Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem damaligen Regime immer durchdrungen gewesen, wobei die kritischen Historiker von dieser These gar nicht so überzeugt sind. Martin Cavelis, Freiburg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen