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Fremdkörper im Binnenmarkt

EG-Kommission will Mitgliedsregierungen militärische Steckenpferde wegnehmen/ EG-weite Rüstungsexportkontrollen  ■ Aus Brüssel Michael Bullard

„Es gibt weder gute noch schlechte Diktaturen“, weiß Martin Bangemann, „denn allen ist eines gemeinsam: Die Mißachtung des menschlichen Lebens.“ Deswegen will der EG-Kommissar in Zukunft Waffenexporte aus der EG auf „demokratisch legitimierte Staaten“ begrenzen. Um aber überprüfen zu können, ob die Tötungsmaschinen „Made in EC“ auch einen ausreichend menschenfreundlichen Abnehmer finden, sollen die unterschiedlichen Ausfuhrkontrollen der zwölf EG- Mitgliedsstaaten einander angeglichen und später sogar auf ganz Europa ausgedehnt werden. Außerdem soll die sogenannte Cocom-Liste aktualisiert werden, die auf Initiative der US-Regierung angelegt worden war, um den Handel mit strategisch wichtigen Produkten außerhalb der Nato zu beschränken.

Die Harmonisierung der EG-Exportbestimmungen, so Bangemann, sei nötig, weil in zwanzig Monaten die Grenzbäume im Inneren EG-Europas aufgehen. Dann fiele es den Händlern des Todes noch leichter als bisher, die nationalen Exportkontrollen zu umgehen, indem sie beispielsweise von Griechenland aus exportierten, wo die Ausfuhrbestimmungen relativ lasch seien. Weil dies aber den Binnenmarkt durcheinanderbrächte, hat der Binnenmarktkommissar einen Vorschlag darüber erarbeiten lassen, wie die immer noch unter dem Schutz der nationalen Regierungen stehenden Rüstungsindustrien „liberalisiert“ werden können.

Die „Inseln im Binnenmarkt trockenzulegen“, ist den EG-Kommissaren schon seit längerem ein Anliegen. Die Zeit dafür sei jetzt günstig. Schließlich steckten die Steckenpferde der nationalen Regierungen, allen vorab Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands, in einer schweren Krise. Eine Umstrukturierung sei also unumgänglich. Dazu fordert Bangemann in seltenem Einklang mit den Eurogrünen die Aufhebung des Paragraphen 223 der EG- Gründungsverträge. Darin ist nämlich festgeschrieben, daß die Produktion von und der Handel mit Waffen, Munition und anderem Kriegsmaterial ausdrücklich von den Vorschriften des EG-Binnenmarktes ausgenommen ist.

Anders als die Grünen will Bangemann damit allerdings nicht gleich das zukünftige Europa „demilitarisieren“. Vielmehr liegt den Binnenmarktpromotoren die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Rüstungsindustrie am Herzen. Die nationale Bevorzugung habe schließlich dazu geführt, so ein Mitarbeiter Bangemanns, daß die EG-Waffenschmieden im Vergleich zu ihren internationalen Konkurrenten zu teuer und mit veralteten Techniken produzierten. Denn die monopolartige Stellung behindere ihre Entwicklungsfähigkeit, nationale Widerstände erschwerten außerdem die grenzübergreifende Kooperation, beides wichtige Voraussetzungen für die Erlangung der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt.

Ein überaus ehrgeiziges Ziel, schließlich hat der Golfkrieg die Überlegenheit US-amerikanischer Waffenschmieden im weltweiten Kampf um Absatzmärkte noch verstärkt. Außerdem kaufen die EG- Staaten weit mehr Waffen von den USA als andersherum. Diese „große Abhängigkeit“ von der westlichen Supermacht paßt den Brüsseler Binnenmarktstrategen überhaupt nicht ins Konzept. Bei fast allen zivilen Gütern ist der Handel zwischen den EG-Partnern wesentlich größer als der mit Drittländern. „Für die Rüstungsindustrie“, so klagt der Bangemann-Mitarbeiter, gelte aber das Gegenteil. Deswegen müsse die Branche jetzt durchrationalisiert werden.

Zwar wollen sie bei ihren Reformen nicht so weit gehen wie der US- Botschafter bei der Nato, William Taft, der ein weltweites Rüstungs- Gatt — den Abbau aller staatlichen Subventionen für die Rüstungsindustrie — vorschlug. Allerdings sollen die Unterstützungs- und Bestellungsprogramme vereinheitlicht und von der EG-Kommission koordiniert werden. Dazu will Bangemann die nationalen Rüstungsmärkte öffnen, mehr Wettbewerb zulassen und so dem zivilen Sektor größeren Einfluß einräumen. Denn schon längst habe sich der Trend umgekehrt, weiß sein Mitarbeiter, daß wegweisende Technologien zuerst in der Rüstungsindustrie entwickelt und dann für zivile Produktionen eingesetzt werden. Japans Führungsrolle in der Elektrobranche und bei den Halbleitern sei bestes Beispiel dafür, welche Dynamik von den zivilen Technologien für die Modernisierung der Rüstungsindustrie ausginge.

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