: Raffinierte Schneemänner
Dealer ist in der Sowjetunion ein Beruf mit Zukunft. Es gibt schon etliche von ihnen, und sie sind alle emsig bemüht, Mütterchen Rußland mit Heroin vollzupumpen. In Polen haben sie sich auf die Produktion von Amphetamin spezialisiert. Das synthetische Zeug ist längst ein Exportschlager. Die besten Kunden sind Skandinavier und Deutsche. Immer mehr Rauschgift kommt über die sogenannte Balkan-Route nach Europa, beim Heroin sind es schon satte 80 Prozent, und 15 Prozent des in Deutschland sichergestellten Amphetamins kam im vergangenen Jahr aus polnischen Drogenküchen.
Während die Ost-Dealer sich gerade richtig warmlaufen, kommen ihre süd- und mittelamerikanischen Kollegen langsam ins Schwitzen. Immer ausgefeiltere Tricks müssen sie sich einfallen lassen, um ihr Koks in Europa und die USA einzuschmuggeln: So wurde in Lissabon ein Mann aus Sao Paulo verhaftet, der Kokain in einem Kabeljau transportierte, in London versuchte es ein Jamaikaner mit einer beinharten Methode — fünf Kilo Koks steckten in seinem Holzbein. Inzwischen können die Fahnder fast nur noch fündig werden, wenn sie konkrete Hinweise auf Zielort, Transportmittel und Tarnmethode haben. Wie sollte sonst auffallen, daß die Ölfarbe eines Gemäldes Kokain enthält oder daß der Poncho eines Touristen mit Rauschgift gestärkt ist, das sich leicht mit Wasser wieder ausschwemmen läßt? Naive Krippenfiguren aus Kolumbien könnten aus Koka-Paste bestehen und das zerlesene Buch in der Hand der seriös wirkenden älteren Dame den beliebten Nasenpuder enthalten. Ganze Schiffsladungen von Haarwaschmitteln, Whisky und Limonade entpuppten sich als Kokain- und Heroinlösungen, und auch das kolumbianische Stier-Sperma war nicht für amerikanische Kühe, sondern für New Yorker Nasen gedacht. Das Zeug kann im Schuhabsatz stecken, in Rhizinusölfässern oder im Magen-Darm-Trakt eines Kuriers. Selbst tote Babys, randvoll ausgestopft mit Kokain, werden als Transportbehälter benutzt.
Die genannten Tricks sind zwar alle ziemlich raffiniert, doch schon längst veraltet. Heute kann selbst der harmloseste Gegenstand nicht nur Drogen verbergen, sondern ganz einfach aus ihnen bestehen. Anfang des Monats fielen spanischen Fahndern elf Badewannen, Dusch- und Waschbecken und ein Whirlpool in die Hände. Die schicken Sanitäreinrichtungen bestanden alle aus einem bis dahin unbekanntem Material: einer Mischung aus Glasfiber und Kokainpaste. Karl Wegmann
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