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Aalen in Badens Sonne

■ Wallau-Massenheim sieht fünfmal rot, gewinnt aber in Leutershausen nach zweimaliger Verlängerung

Bensheim (taz) — Die nordbadisch-südhessische Geografie ist eine hochkomplizierte. Gleich hinter Mannheim, der kurpfälzischen Hauptstadt, liegt das hessische Bensheim, dessen Fußballer in der badischen Verbandsliga mitkicken dürfen. Dahinter öffnet Weinheim seine Pforten, idyllisch plaziert an der badischen Bergstraße. Drehen sich aber die Räder dann gen Norden, wünscht alsbald Hessen wieder einen guten Tag.

Am Mittwoch abend fand ein wahrer Autokorso ins hessische Bensheim statt, aus der Weinheimer Vorstadt Leutershausen zum Play-off-Viertelfinale der SG- Handballer (Baden) gegen Wallau- Massenheim (Hessen). Ein Heimspiel für die Badener auf fremden Hallenboden. Das erste Spiel hatte der Tabellenzweite der Vorrunde gegen den Siebten 25:21 gewonnen, mit viel Mühe, und das nicht in Wallau. Aus wirtschaftlichen Gründen verließ man die Halle in Rüsselsheim und zog um nach Frankfurt-Höchst. Ein Zustand, der im Fußball undenkbar ist.

Wallaus Ziele sind hochgesteckt. Manager Bodo Ströhmann macht seine Zukunftspläne vom Erfolg seiner Mannschaft um den Finnen Mikael Källmann abhängig. „Für die SG Wallau-Massenheim ist ein Platz auf internationalem Parkett in diesem Jahr Pflicht“, tönte er bereits vor Beginn der Saison und drohte damit, im Falle eines Scheiterns sein Engagement „ernsthaft in Frage zu stellen“. Nun, Ströhmann darf aufatmen und sich eine Ruhepause gönnen, während seine geplagten Kollegen von TuSEM Essen und Gummersbach am Wochenende noch einmal ihre Nerven strapazieren müssen. Erst am 1. Mai geht es weiter, gegen den THW Kiel.

Dabei hatten die Wallauer in der Bensheimer Weststadthalle nicht nur die „roten Teufel“ aus Leutershausen und 3.300 Zuschauer, sondern auch die Schiedsrichter Gottschlich und Jurtzik zum Gegner. Fünf rote Karten zeigten sie den Blau-Weißen. Betroffen waren neben Kaufmann und Baumann, so wichtige Spieler wie Stephan Schöne und der Matchwinner von Höchst, Joachim Schwalb. Dazu mußten auch noch Trainer Velimir Kljaic und Manager Ströhmann die Halle verlassen.

Um wieviel es ging im Derby, war schon nach wenigen Minuten dem SGL-Rumänen Dumitru Berbece anzusehen. Er trollte mit zerrissenem Trikot durch die Halle. Der Ex-Essener Stefan Henrich tobte gar durch die Reihen wie ein Rambo, hangelte sich vom Stürmerfoul zu Stürmerfoul. Und Udo Scholz, zuletzt vielgescholtener Stadionsprecher des 1.FC Kaiserslautern, legte sich in gleicher Funktion mit den Wallauer Fans an, polarisierte, anstatt zu beruhigen und konnte seinen Frust über die Niederlage kaum verbergen.

Dabei vollbrachten die Aufsteiger der Saison gar Wundersames. Nach 56 Minuten führte nämlich Wallau mit 17:14. Mein Kollege Harald ging. Vier Minuten später hieß es 18:18. Zehn Sekunden vor Abpfiff verlängerte ein Nagel-Tor für Leutershausen das Spiel. Verlängerung. Harald war schon auf der A5. Und das Match ging erst richtig los.

Geschwächt durch die Herausstellungen ermatteten die Wallauer. Zehn Sekunden vor dem Ende stand es 21:20 für Leutershausen. Nun wollte auch ich gehen. Der Torschrei und hochgerissene Arme in blauen Shirts holten mich zurück. Mikael Källmann erzwang mit einem 20-Meter-Wurf den Ausgleich. Eine Sekunde vor Ultimo schlug der Ball in den Leutershausener Maschen ein. Zweite Verlängerung.

Nach 79 Minuten hieß das Resultat 23:23. Leutershausen hatte einen Zwei-Tore-Rückstand wieder egalisiert. Doch das 23:24 wenige Sekunden vor dem drohenden Siebenmeter-Werfen war dann das Ende der Handballsaison an der Bergstraße. Sollen doch die anderen ihr Play-off weiterspielen. Die Leutershausener aalen sich derweil schon in der badischen Sonne. Günther Rohrbacher-List

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