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Wie der Bürgerschafts-Ausschuß für dumm verkauft wird

■ Glaube an das Gute: Der Wirtschaftsförderungs-Ausschuß war bei den Grunau-Geschäften nur halb aufgeklärt

Wirtschaftsgeschäfte der Stadt Bremen sind nicht möglich, ohne daß der zuständige Wirtschaftsförderungs-Ausschuß der Bürgerschaft zustimmt. Die Geschäfte mit Grunau, in denen das Land dem dynamischen Mittelständler in fünf Jahren an die 10 Millionen Mark bescherte, hatte der parlamentarische Hobbyverstand abgesegnet — allerdings, muß man dem Gremium zugute halten, im Glauben an das Gute.

Während Bremen Ende 1988 in Wirklichkeit nämlich — Mahndorf-Geschäft zwei, vgl. taz 26.4.) — die Grunau-Gruppe von 4 Millionen notleidender Sparkassen-Kreidite befreite, listete die Wirtschaftsbehörde in der Vorlage für die Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse 11 Millionen Mark an angeblicher Investitionsplanung Grunaus auf. Im rechtsverbindlichen Kaufvertrag, den der Ausschuß nicht mehr zu sehen bekommt, fehlte die Liste der Investitionen dann.

De facto zahlte bei Investitionen immer die Stadt. „Wir waren jahrelang schon eine Ehe: Grunau als Vorreiter dieser Idee und die Stadtgemeinde, die da kräftig investierte“, beschreibt der staatliche Wirtschaftsförderer Hoppe heute seine Geschichte mit Grunau. Der Parlamentsausschuß wurde damals beeindruckt mit angeblichen Investitionsplänen Grunaus und geblendet mit einer dramatisch über die 20 Millionen ansteigenden Umsatzzahl — 1988 erreichte Grunau auf seiner AG Weser-Betriebsstätte gerade einmal 14 Millionen. Auf Initiative der Parlamentarier kam schließlich der Zusatz in den Beschluß der Fachdeputation, daß nur 3,5 Millionen vom Kaufpreis für das Mahndorf-Grundstück sofort zu zahlen sein sollten: Die restlichen 500.000 Mark, so steht es im Protokoll, sollten „Zug um Zug mit der Erfüllung der zugesagten Investitionen“ überwiesen werden. Daß auf dem Grundstück 4.050.000 Sparkassen-Schulden liegen, steht in der Vorlage an die Parlamentarier nicht, stattdessen ist die Rede davon, vier Millionen sollten ins AG Weser-Gelände investiert werden. Die Parlamentarier mußten annehmen, damit sei die Kaufsumme gemeint.

Vier Wochen später wird der Kaufvertrag gemacht. Von einer „Zug um Zug“-Ausbezahlung der restlichen 500.000 Mark kein Wort mehr, stattdessen wird vereinbart: „Der Kaufpreis wird in 2 Raten von je zwei Mio. DM gezahlt“ — direkt an die Sparkasse. Während der Ausschuß die 500.000 Mark sozusagen als Faustpfand zunächst behalten wollte, steht im Vertrag, nach Ablauf einer Dreijahresfrist seien 500.000 Mark zurückzuzahlen, wenn die vereinbarten Investitionssumme nicht nachgewiesen werde.

Irgendwann 1989 muß dann das Vertrauen in Grunau gesunken sein. Es wird eine „Arge Weser“ gegründet, eine gemeinsame Arbeitsgemeinschaft von Grunau und der Stadt Bremen, die für Grunau Marketing und Akquisition übernehmen sollte. Die 'Arge‘ ist inzwischen gescheitert. Daß Grunau seine Hälfte für den Arge-Geschäftsführer Klaus Libor nicht gezahlt hat, sei „nicht ganz falsch“, räumt Wirtschaftsförderer Hoppe ein. „Der Mohr kann gehen“, ist seine Auffassung zur Arge. Und Libor kommt schon lange mit dem „hemdsärmeligen Querkopf“ Grunau nicht mehr klar.

Wenn schon keine Aufträge akquiriert wurden, hätte die WFG durch ihre 50%-Tochter Arge zumindest einen Einblick darin nehmen können, was bei Grunau gearbeitet wird. Aber wenn die WFG wissen will, wieviele Arbeitsplätze in der Grunau-Betriebsstätte geschaffen wurden, fragt sie aber nicht Libor, sondern das Arbeitsressort. Das Arbeitsressort glaubt den Zahlen über neu geschaffene Arbeitsplätze, die Grunau aufschreibt, seit 1983 halbjährlich. Damals bekam Grunau Fördermittel dafür, daß auf dem Mahndorf-Gelände 84 Arbeitsplätze erhalten werden. Seit Jahren sieht jeder Spaziergänger, daß da kaum mehr als ein Dutzend Leute arbeiten. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob die Arbeitsplatzangaben für 1988 stimmen (Verdacht des Subventionsbetruges).

„Grunau investiert nicht in das Gelände“, weiß Libor. Seit Jahren verlangt das Gewerbeaufsichtsamt vergeblich, daß wenigstens Abzüge für die Stahlbauhalle wegen der Farb-Dämpfe eingebaut werden. Nichts passierte. Aber die WFG fragt nicht Libor, was vor Ort getan wird.

Am 23.1.1991 bekam der Wirtschaftsförderungs-Ausschuß wieder eine Vorlage zum Fall Grunau. Prüfungen des Finanzamtes hätten ergeben, daß Grunau über 200.000 Mark Investitionszuschüsse erschwindelt habe. Grunau hatte alte Investitionsgüter angestrichen und als neu ausgegeben. Das Land Bremen, schreibt die Wirtschaftsbehörde, prüfe aber, ob sie Grunau die entgangenen Zulagen (aus Bonn) als bremischen Zuschuß einfach ersetzen muß. Dazu sei Bremen möglicherweise aufgrund des „bestehenden Zuwendungsbescheides“ verpflichtet. Ob die Investitions- und Arbeitsplatz- Zusagen von Grunaus letztem Geschäft erfüllt sind, könne derweil erst im Mai 1992 nachgeprüft werden, wenn die Dreijahresfrist abgelaufen ist, erfahren die Parlamentarier. Daß Grunau auch den „Zusatzbetrag“ von 500.000 Mark entgegen dem Beschluß ders Ausschusses längst erhalten hat und Zinsen kassiert, erfahren sie nicht. Stattdessen gibt es ein seltsam dreideutiges Dementi: „Fa. Grunau hat keinen Vorschlag unterbreitet, den AG Weser-Berieb aufzulösen und dafür Millionensubventionen zu fordern.“ Das ist richtig, denn bei dem Vorschlag von Grunau vom Herbst 1990, für 30 Millionen das AG Weser-Gelände freizumachen, ging es nicht um „Subventionen“, sondern um Rückkaufsummen und die vorzeitige Beendigung von günstigen Pachtverträgen. K.W.

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