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Anklage gegen Ex-Minister Milde

Die hessische Justiz macht sich an die Entsorgung der Wallmann-Ära: Auch gegen Ex-Staatskanzleichef Gauland wird ermittelt, Ex-Justizminister Koch steht im Zwielicht  ■ Von Bröckers/Klingelschmitt

Frankfurt (taz) — Für den im Dezember 1990 zurückgetretenen hessischen Innenminister Gottfried Milde (CDU) kommt es beinhart. Die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden hat nach umfangreichen Ermittlungen gestern Anklage gegen den Mann erhoben, der — um dem damaligen Ministerpräsidenten Wallmann die Stange zu halten — vor dem Landtag aus einem Abhörprotokoll zitiert hatte, das vom BKA in Wiesbaden im Auftrag der Frankfurter Staatsanwaltschaft angefertigt worden war. Laut Milde ergab der Inhalt der Niederschrift, daß ein 'Stern‘- Reporter dem Anwalt des Frankfurter Bordellkönigs H. B. (*) 150.000DM für belastendes Material gegen Wallmann geboten habe. Mit seinem Auftritt vor dem Landtag hat Milde nicht nur aller Wahrscheinlichkeit nach das besonders geschützte Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) verletzt, sondern auch bewußt falsch aus dem Abhörprotokoll zitiert: Der Advokat des Unterweltbosses bot dem 'Stern‘ ein Interview mit B. an — zum Preis von 150.000 DM.

Auch gegen Wallmanns Staatssekretär Alexander Gauland ermittelt die Justiz. Das Beamtentum müsse vor dem „Zugriff der Parteien“ geschützt werden, hatte der Leiter der Hessischen Staatskanzlei Ende Januar in seiner Abschiedsrede vor den Mitarbeitern noch betont — eine Maxime, an die er sich selbst wohl kaum gehalten hat. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt wegen falscher eidestattlicher Versicherungen, mit denen Gauland die Ablösung des der SPD zugehörigen Leitenden Ministerialrats für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Rudolf Wirtz, betrieben haben soll. Um einem rechtsextremen Wallmann-Spezi, dem langjährigen Vorsitzenden des völkischen Witiko-Bundes und CDU-Fraktionsassistenten, Wolfgang Egerter, diesen Posten zuzuschanzen, hatte der Kanzleichef Beschwerden seitens der Kirchen über die Amtsführung von Wirtz angeführt. Vor dem Verwaltungsgericht, das der sich gegen die Umsetzung wehrende Beamte angerufen hatte, bekräftigte Gauland die angeblichen Beschwerden mit eidestattlichen Versicherungen — verweigerte aber die Offenlegung der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das „Wohl des Landes“. Da die Vertreter der Kirchen Wirtz' Bitte um Klarstellung nicht folgten — nach einer Absprache wollten sich evangelische wie katholische Bischöfe aus dem „schwebenden Verfahren“ heraushalten —, kam Gauland mit seinen eidestattlichen Versicherungen durch. Wegen der offensichtlich konstruierten Vorwürfe gegen den allseits geschätzten Kirchenbeauftragten forderte Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) schon 1989 staatsanwaltliche Ermittlungen, doch auch nach einer heftigen Parlamentsdebatte im Juli 1990 — der Oppositionsantrag auf Entlassung Gaulands wurde von CDU und FDP abgeschmettert — geschah nichts. Obwohl die wichtigsten Kirchenvertreter — Limburgs Bischof Kamphaus und Kirchenpräsident Spengler — längst zu erkennen gegeben hatten, daß es von ihrer Seite keine Beschwerden über die Amtsführung gab — Gauland also nicht nur das Gericht, sondern auch das Parlament belogen haben mußte (vgl. taz v. 25.5.1990). Doch erst unmittelbar vor der Landtagswahl im Januar 1991 forderte die Staatsanwaltschaft Wiesbaden die Akte Gauland beim Verwaltungsgericht an — exakt einen Tag nach der Wahl wurden der Anklagebehörde die Aktenordner überlassen. Ein Timing, welches im nachhinein ein bezeichnendes Zwielicht auf den verantwortlichen Justizminister Karl-Heinz Koch (CDU) wirft. Nachzuweisen sein wird ihm die Verschleppung eines massiven Verdachts natürlich nicht, schließlich wurden die Ermittlungen gegen seinen Parteifreund noch unter Kochs Ägide eingeleitet. Für Alexander Gauland, das Alter ego des abgewählten Ministerpräsidenten Wallmann, dräut unterdessen weitaus Schlimmeres als eine verlorene Wahl — juristische Beobachter gehen davon aus, daß der frühere Staatskanzleichef um eine Anklage nicht herumkommt. Und dann wird ihm, abgesehen von der Flucht in den Blackout, nicht viel bleiben, schon gar nicht der Beistand von „hochrangigen Kirchenvertretern“, die sich als Beschwerdeführer zu erkennen geben — es sei denn, die insgesamt 16 Bischöfe, Generalvikare und Präsides, die für die Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Zeugen benannt sind, lügen durch die Bank.

(*) Name ist der Redaktion bekannt

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