Wie scheißegal der SPD die Arbeitsplätze sind

■ Ob mit Millionen-Subventionen Arbeitsplätze geschaffen werden, kontrolliert Arbeitssenator Wedemeier nicht

Wenn es um die Erfolge Bremischer Wirtschaftspolitik geht, wiederholt es Senator Uwe Beckmeyer immer wieder: Die Wirtschafts-Förderungsgelder sind bestens angelegt. Durch diese Politik seien tausende von Arbeitsplätzen geschaffen worden. Aber jeder, der hinguckt, sieht: Die großen Kräne stehen nach sieben Jahren Wirtschaftsförderung still bei Grunau/AG Weser.

Über Jahre flossen Millionen in die Unternehmensgruppe Grunau. n Arbeitsplatzeffekt: Keiner. Weil diese Art der „Wirtschaftsförderung“ beispielhaften Charakter hat, berichtet die taz in einer Serie über die „Zweite Pleite der AG Weser“.

Wirtschaftsförderung, denkt der schlichte Mann, soll nicht Unternehmern Millionen einbringen, sondern Arbeitslosen die Chance auf einen neuen Job. Und das insbesondere auf dem Gelände der ehemaligen AG Weser, wo tausende Schiffbauer schon in den Jahren vor der Liquidation der Werft 1983 ihre Arbeit verloren. Weil Bremen sich so um die Arbeitsplätze bemüht, gibt es sogar einen hochbezahlten „Senator für Arbeit“. Der Posten ist derzeit von keinem schlechterem als dem Bürgermeister Klaus Wedemeier besetzt.

Eine sozialdemokratische Landesregierung hat zwei Tricks, den einfachen Mann vor Erschütterungen seines Weltbildes zu bewahren und dennoch mehr die Unternehmer zu bereichern als Arbeitsplätze zu schaffen. Erster Trick: Der Löwenanteil der Förderbeiträge fließt indirekt über den Verkauf superbilliger Gewerbegrundstücke. Beispiel AG Weser, Stahlbauhalle: Der Unternehmer Grunau konnte die Halle, die der Sparkasse Sicherheit für 5,6 Millionen Mark an Kredite ist, für 1,2 Millionen kaufen (Merke: Die Handelskammer fordert immer wieder die Ausweisung neuer Gewerbeflächen

Sieben Jahre danach: Alle Räder stehen wieder still auf der AG Weser Foto: Tristan Vankann

— nichts ist so schön billig wie diese!!) Die Arbeitsplatzverpflichtung ist an derartig große Geschäfte nicht geknüpft, sondern an geringere Summen, genannt „Förderanteil“. Der Förderanteil für die Stahlbauhalle betrug 690.000 Mark: Die muß Grunau zusätzlich zum Kaufpreis bezahlen, wenn er die Zahl der Arbeitskräfte in der Halle „um mehr als 30% von 30-50 Arbeitnehmern reduziert“. So steht es im Kaufvertrag.

Und hier kommt Trick zwei zum Zuge: Der Wirtschaftssenator sagt, daß der Arbeitssenator für die Erfüllung der Arbeitsplatzzusagen zuständig ist. Nachprüfen tut das keiner.

Im Falle Grunau lief das so:

Seit 1983 muß der Unternehmer Grunau halbjährlich dem Arbeitssenator einen Brief mit Angaben über seine Arbeitsplatzzahl schicken. Tu er auch, sagt der Arbeitssenator, und ist's zufrieden. Seit 1983 hat der Arbeitssenator dies aber nie überprüft, denn er „glaubt erstmal“, versichert der Sprecher des Wedemeier-Res

sorts der taz, den Angaben eines Bürgers.

Die ersten 785.000 Fördersumme erhielt Grunau 1983 für die Betriebsstätte Mahndorf. 84 Arbeitsplätze in der „Oberflächenbehandlung von Eisen und Stahl“ sollten dort erhalten und geschaffen werden. Zwar sind einfache „Verlagerungen der Betriebsstätte innerhalb der Gemeinde“ ausdrücklich nicht förderungswürdig, steht in den Bremer Richtlinien zur Wirtschaftsförderung, aber der frühere Betrieb Grunaus ist in Großenkneten — und das ist eine andere Gemeinde. Wieviele Arbeitplätze in Großenkneten aus den Büchern verschwunden sind, als in Bremen neue in den Büchern auftauchten, hat das Arbeitsressort nie geprüft. Ein Blick über den Zaun des Firmengeländes in Bremen-Mahndorf zeigt dem einfachen Mann seit Jahren: Da sind fünf bis zehn Mann an der Arbeit, das Gelände dient hauptsächlich als Lager. Vielleicht sind in der Halle zwei oder vier Leute damit befaßt, Lack auf Metallteile aufzubringen. Wo sind 84 Arbeiter?

Keine Spur davon.

Bei der Maschinenbauhalle auf dem AG Weser-Gelände, die Grunau 1986 vom Land Bremen kaufte, betrug die Fördersumme 691.000 Mark. Dafür verpflichtete sich Grunau zu Investitionen und dazu, für 10 Jahre „die Zahl der Arbeitnehmer von insgesamt 40“ nicht zu reduzieren. Blickt der einfache Mann in die Halle, erblickt er dort 10, 15... mehr bestimmt nicht. Zudem: Der Passus im Kaufvertrag, nachdem Grunau die Halle selbst nutzen muß, wurde beim Notar gestrichen. Fa. Grunau nutzt die Machinenbauhalle nicht selbst — sie hat sie mit lukrativer Gewinnspanne einfach weiterverpachtet.

Bei der Stahlbauhalle, die Grunau 1986 supergünstig von Bremen erwerben konnte, verpflichtet der Förderbeitrag von 690.000 Mark ihn zu Investitionen und dazu, „die Zahl der Arbeitnehmer (nicht) über zwei Jahre hinaus um mehr als 30% von 30-50 Arbeitnehmern (zu) reduzieren...“ Und als ob es noch eines zusätzliches Witzes bedurft hätte, verpflichtete sich der Unternehmer Grunau im Vertrag, „in der Personalplanung ältere Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen“.

Ein Blick des einfachen Mannes in diese Halle ergibt kaum mehr als ein dutzend Arbeiter. Kürzlich bot er die Halle dem Unternehmen Conpack für knapp 60.000 Mark monatlich zur Pacht an und versprach, für diesen Fall alle für den Industrieanstrich erfolgten Einbauten restlos zu entfernen. Conpack fragte die Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (WFG), ob dies angesichts eines Kaufpreises von 1,2 Millionen ernst gemeint sei. Staatsrat Haller antwortete im März 1991 an Conpack, er könne da auch nicht helfen und Conpack müsse sich schon mit Grunau verständigen.

Der clevere Unternehmer Martin Grunau sagt heute, er könne auf die versprochenen Arbeitsplätze schon kommen — auch seine Firmen in Großenkneten und neue Firmen in der DDR werden von der AG Weser aus verwaltet. Ob dies der Sinn der Wirtschaftsförderung in Millionenhöhe auf dem wertvollen Industriegelände am seeschifftiefen Wasser sein sollte, muß die bremische Landesregierung noch erklären.

Aber kommen wir zurück auf den „Trick zwei“: Aufgrund diverser Förderungsbeiträge über die Jahre hinweg war Grunau Ende 1988 verpflichtet, 194 Arbeitskräfte auf seinen Bremer Betriebsstätten nachzuweisen, bis Anfang 1992 sollten „60 weitere“ Arbeitsplätze hinzukommen. Diese sollen „überwiegend mit Schlossern, Schweißern, Malern und Hilfskräften“ besetzt werden, schrieb das Arbeitsressort 1988 in ein Papier, das den Parlamentariern die Zustimmung für neue Millionen-Subventionen empfahl. Für 1988 überprüft die Staatsanwaltschaft die Angaben Grunaus, nicht allerdings auf Betreiben des Arbeitssenators. Der Staatsanwalt weiß inzwischen schon, daß Grunau den Arbeitssenator für dumm verkauft hat: Die Lohnbuchhalterin hat in ihrer Vernehmung zu erkennen gegeben, daß sie für mehr als 30 gewerbliche Arbeitnehmer und mehr als 40 Verwaltungskräfte in einem Verfahren wg. Subventionsbetruges ihre Hand nicht zum Schwur heben will.

Betriebsrat? Nicht bei Grunau!

Weil die Staatsanwaltschaft rückwirkend überprüfen muß, ob die 1988 kurze Zeit in der Lohnbuchhaltung auftauchenden Arbeitskräfte auch auf dem AG Weser- Gelände oder in Mahndorf gearbeitet haben, sind die Ermittlungen schwierig. Die Ermittlungen könnten Anlaß sein für aktuelle Überprüfungen des Arbeitssenators, die finden aber dennoch nicht statt. Absurderweise verweist der auf die staatsanwaltschaftlichen Überprüfungen für 1988, wenn gefragt wird, ob die Arbeitkräfte, die Grunau brav halbjährlich meldet, heute, 1991, auf der Betriebsstätte vorhanden sind. Überprüft wird auch heute nicht. Und noch am 20.2.1991 schrieb Staatsrat Manfred Weichsel unter dem Briefkopf „Senator für Arbeit“, die „Bestandsmeldungen der Firmengruppe Grunau“ hätten „bisher zu keinen Beanstandungen geführt“.

Warum fragt der Arbeitssenator nicht einfach den Betriebsrat, denkt vielleicht der einfache Mann. Der Arbeitssenator weiß, warum. Als er 1988 neue Millionen befürwortete, räumte er ein: „Eine Arbeitnehmervertretung besteht nicht.“ K.W.