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Gefährliches »Warschauer Kompott«

■ Die Zahl der HIV-Infizierten in Polen steigt/ Aufklärung findet kaum statt/ »Warschauer Kompott« — ein Film über das Elend polnischer Junkies

Warschau. Sekundenlang bleibt das Auge der Kamera auf den gekrümmt am Boden liegenden Mann gerichtet. Neben ihm liegt eine Spritze. Es war sein »goldener« Schuß, der Mann ist tot.

Nur durch Zufall waren Produktionsleiter Frank Gebauer und die argentinische Dokumentarfilm-Regisseurin Cuini Amelia-Ortiz während der Dreharbeiten für ihren Film Warschauer Kompott auf den toten Junkie gestoßen. Mit finanzieller Unterstützung der Aids-Hilfe drehten sie einen Dokumentarfilm über Drogensüchtige in Polen. Warschauer Kompott — so heißt der dunkelbraune Sud, den sich viele polnische Fixer an Stelle von Heroin in die Venen drücken. Gekocht wird das »Kompott« aus dem in Polen angebauten Mohn. Auf 200.000 schätzt Vize- Gesundheitsministerin Kristina Sienkiewicz vor der Kamera die Zahl der Süchtigen in Polen, offizielle Statistiken gibt es nicht.

Bereits im Vorfeld knüpften die Filmemacher enge Kontakte zum Elternkreis »Powrot Z U«, eine der wenigen Drogen-Selbsthilfegruppen in Polen, die auch HIV-infizierte Junkies betreuen. Offiziell liegt deren Zahl in Polen bei 1.247, plus der 49 Registrierten, die bereits das Aids- Vollbild entwickelt haben. Der Warschauer Pfarrer Arek jedoch, der die erste und einzige Positiven-WG einrichtete, schätzt, daß sich bereits 70 Prozent aller Drogenbenutzer in Polen mit dem Virus infiziert haben.

Warum darüber nichts Genaues bekannt ist, wurde den Filmemachern schnell klar: eine Krankenstation für HIV-Infizierte gibt es erst seit einem Jahr. Saubere Spritzen sind gegen Zloty allenfalls in Warschau erhältlich. Gezielte Aufklärungskampagnen finden nicht statt. Viele Ärzte fühlen sich nicht verpflichtet, bei dieser Erkrankung die Schweigepflicht einzuhalten. Entsprechende Meldungen der Vize- Gesundheitsministerin bei der Aufsichtsbehörde hätten für die Ärzte jedoch nie Konsequenzen gehabt.

Die Schlußszene des Films zeigt bittere Realität: am Straßenrand bettelnde junge Leute, die sich auf mitgebrachten Schildern als obdachlose Aidskranke zu erkennen geben. Die Passanten wenden sich angewidert ab. »Was würden Sie denn machen, wenn Ihr Kind Aids hätte?« wird ein älterer Mann gefragt. Die Antwort bleibt er schuldig. maz

Der Film »Warschauer Kompott« wird Dienstag abend um 18 Uhr in den Räumen der Deutschen Aids- Hilfe gezeigt, Nestorstr. 8-9, 1/31

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