: Die Rationalität der Holzköpfe
■ Zu den Fortschritten bei den Friedensverhandlungen um Guatemala und El Salvador
Die Rationalität der Holzköpfe Zu den Fortschritten bei den Friedensverhandlungen um Guatemala und El Salvador
Mit Vorsicht ist zu genießen, was dieser Tage an guten Nachrichten aus Zentralamerika kommt. Gewiß: Die Friedensverhandlungen in Mexiko über El Salvador und Guatemala machen Fortschritte. Doch noch sind die Kriege nicht beendet, von deren Ursachen ganz zu schweigen. Vereinbarungen, die durchgreifende Änderungen nicht nur versprechen, sondern auch unwiderruflich festschreiben, gibt es nicht. Eher könnte man sagen, daß die Regierungsseite mit Flexibilität und Offenheit aus der Guerilla einen Waffenstillstand herausholen will, den diese in der derzeitigen weltpolitischen Lage wohl kaum jemals wieder überzeugend rückgängig machen könnte — ähnlich jener Schachstrategie, die durch das Anbieten verlockender Angriffsmöglichkeiten den Gegner aus der Defensive locken und ihn zur Selbstentblößung herausfordern will.
Und doch: es sind mehr als Springerzüge und Bauernopfer, die auf dem zentralamerikanischen Schachbrett gespielt werden. Ideologische Verbohrtheit ist auch dort passé. Ein Jahr nach der sandinistischen Niederlage muß auch dem letzten Guerillaführer aufgehen, daß die Revolution eine Chimäre ist, ein sinnstiftender Mythos zwar, aber keine Strategie. Wichtiger aber noch ist der Rationalitätsverlust der Klientel- und Gewaltherrschaft der zentralamerikanischen Oligarchien. Sie sind nämlich im Begriff, sich politisch überflüssig zu machen. Ihre Abhängigkeit von fremder Militärhilfe machte die im eigenen Land so Mächtigen zu Marionetten des Weltgeschehens. Nun sind sie Washington zu teuer, und prompt verlieren sie an Stehvermögen.
Es scheint, als würden sich die Marionetten ihrer Holzköpfe schmerzlich bewußt. Das wahre Spiel um die Zukunft Zentralamerikas findet längst nicht mehr in den Friedensgesprächen von Mexiko statt, sondern in den Wirtschaftsverhandlungen Mexikos mit Washington — die Kleinstaaten der Region werden zu vernachlässigbaren Größen. Doch der permanente Unruheherd am Südrand des zukünftigen Dreierbundes aus USA, Kanada und Mexiko ist für die US-amerikanische Politik ein Risikofaktor. Der muß ausgeschaltet werden, soll der Traum einer gesamtamerikanischen Freihandelszone nicht an den Protegés der USA scheitern, die es nicht verstehen, politische Ruhe und ökonomische Berechenbarkeit herzustellen.
Dies, und nicht irgendein plötzlicher Sinneswandel in Militärhirnen, steckt hinter den Überraschungszügen, die jetzt die festgefahrenen Kriegskonstellationen in El Salvador und Guatemala in Bewegung bringen. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen