: Ampelkoalition gegen Midlife-crisis
■ Björn Engholm sieht langfristig „interessante Perspektiven“ in einer Ampelkoalition/ Vorher sei jedoch ein Wandel in der FDP erforderlich/ Engholm: Keine Kompromisse in Sachen Kernenergie
Kiel (dpa/taz) — „Interessante Perspektiven“ eröffnen sich auf lange Sicht für den designierten SPD-Vorsitzender Björn Engholm in der Farbkombination rot-grün-gelb. Dies setze aber eine in sich gewandelte FDP voraus, die es bundesweit noch nicht gebe, sagte Engholm am Sonntag in einem 'dpa‘-Gespräch.
Wenn die Freien Demokraten sich jedoch wieder stärker wie in der sozialliberalen Zeit ihren Wurzeln aus dem Geist der Aufklärung zuwendeten, statt weiter einem „verengten und überholten“ Wirtschaftsliberalismus anzuhängen, werde es wieder zunehmend Berührungspunkte zur Sozialdemokratie gebe. Wenn dazu noch eine „aufgeklärte“ Grüne Partei komme, die sich wirklich darum bemühe, auf Probleme konkrete Antworten zu geben, und eine SPD, die einen großen Teil des Solidarbewußtseins der Gesellschaft aufnehme, könne dies „eine ideale Kombination“ sein, meinte Engholm. „Da kommen drei Elemente zusammen, die viel gemeinsam haben.“ Insofern sei es wirklich interessant, wie sich das Modell in Brandenburg, wo eine „Ampelkoalition“ aus SPD, FDP und Bündnis 90/ Grüne regiert, entwickle.
Bezüglich den Koalitionsverhandlungen in Rheinland-Pfalz hält sich der Schöngeist der Partei jedoch noch bedeckt: Sowohl eine Koalition mit der FDP als auch mit den Grünen habe „ihren Charme“. Ökologische und soziale Erneuerungen seien mit den Grünen eher zu verwirklichen, eine Koalition mit der FDP zeige jedoch eventuell ihre Wirkung in der Bundespolitik. Generell jedoch, vermutet Engholm, sind die koalitionsfreien Zeiten bundesdeutscher Parteien und auch die Zeiten von absoluten Mehrheiten im Bund passé. Traditionelle Wählerbindungen hätten sich nach und nach aufgelöst. Er konstatiert eine Art „Midlife-crisis“ in der Politik. Politiker aller Parteien seien nach seinem Eindruck „in den letzten Jahren etwas wohllebig und auch wohlhabend geworden“. Es sei versäumt worden, die anstehenden Probleme rechtzeitig anzupacken.
Eine von Bundeswirtschaftsminister Möllemann (FDP) mit der SPD gesuchte Verständigung in der Energiepolitik hält Engholm nur unter bestimmten Bedingungen für akzeptabel: „Ein Kompromiß, der sagt, Augen zu, wir machen für eineinhalb Generationen weiter mit der Kernenergie, kann es mit der SPD nicht geben, weil es der falsche Weg ist.“
Statt dessen müßten dieselbe Fantasie und dieselben „irrwitzigen“ Mittel, die auch vom Staat zur Erforschung und Anwendung der Kernenergie aufgewandt wurden, für neue „Energiepfade“ bereitgestellt werden. Wenn Möllemann sage, „darüber reden wir, dann ist in diesem Punkt ein Konsens möglich. Das wäre auch wirtschaftlich interessant, weil wir damit einen weltweiten technologischen Vorsprung erreichen könnten“, betonte Engholm, der sich in dieser Woche mit dem Bonner Wirtschaftsminister trifft. Er sehe keine „Aufweichungstendenzen“ in dieser Frage in der SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen