Kippte Grunau Farbschlacke in die Weser?

■ Gewerbeaufsicht will Halle auf AG Weser Gelände schließen / Farbdämpfe vertreiben Nachbarn

Wirtschaftsförderung schafft Arbeitsplätze, moderne Unternehmen treten an die Stelle der alten Industriestruktur, sagt die Landesregierung und stellt Millionen dafür zur Verfügung. Zum Beispiel auf dem Gelände, wo vor sieben Jahren die AG Weser liquidiert wurde. Die Steuergelder in Millionenhöhe flossen bei Grunau/AG Weser in Wirklichkeit aber in Unternehmertaschen, ohne daß eine relevante Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen wurden. Thema der heutigen Folge unserer Serie: der Arbeits- und Umweltschutz.

Der zuständige Mann beim Gewerbeaufssichtsamt ist Friedrich Brüning. Am Freitag will er zu Grunau gehen und nachsehen, ob in der Stahlbauhalle endlich Abzüge eingebaut sind und die Löcher abgedichtet. Am 30. April läuft die Frist ab, die das Amt dem Unternehmen mehrfach gesetzt und verlängert hat. Aber Grunau hat keine Angst vor der Schließung der Halle. „Ich gehe sowieso nach Leipzig“ konterte er gegenüber dem Gewerbeaufsichsmann.

Peter Alexander von der Marwitz, früher Betriebsleiter bei Grunau, kann sich heute noch erregen. „Warum legt der Senat den Betrieb nicht still?“ Wenn die Gewerbeaufsicht ihre Vorschriften ernst nehmen würde, „dann wäre da Ruhe, sofort“, sagt er. Zum Beispiel in den Hallen, in denen große Metallteile per Sandstrahl von Rost und Lackresten befreit und neu beschichtet werden. Absaugeanlagen — keine. Nachbar von Grunau auf dem AG WeserGelände ist die Firma Preussag-Nöll. Der kaufmännische Leiter, Schrul, zur taz: „Wenn die da anstreichen, ist das für uns im höchsten Maße gesundheitsgefährdend. An manchen Tagen ist es unmöglich, hier zu arbeiten.“ Die Nitrodämpfe dringen aus der Halle durch alle Ritzen, Fenster und Tore und gehen direkt in die Nöll- Büros hinein, seit Jahren. Der Krankenstand an diesen Tagen steigt sprunghaft bei Nöll. Gewerbeaufsicht? Die Firma glaubt nicht mehr daran. „Wir planen, das Gelände zu verlassen.“

Sind die Rolltore bei Grunau abgenommen? Gibt es vorschriftsmäßig ein Farblager? Der ehemalige Betriebsleiter Marwitz vermutet eine „große schützende Hand“ hinter Grunau, dessen gute Kontakte zu SPD-Politikern bekannt sind.

Alles das ist aber nichts gegen das Problem Strahlschlacke. Nach dem Bestrahlen alter Metallteile sind die kleinen Kügelchen Strahlschlacke mit den Farbresten — bei alten Farben auch hochgiftiges Blei — und mit Rostpartikeln durchsetzt. Das Giftzeug geht auf Sondermülldeponien. Weniger problematische Partien können auf die Blockland- Deponie gebracht werden, auch das kostet noch 110 Mark pro Tonne. Ein erheblicher Kostenfaktor, verbraucht doch Grunau pro Woche in der Größenordnung von 30 Tonnen Strahlschlacke. Bei jedem Windstoß weht die Schlacke aus den Hallen hinaus aufs Gelände und über die Pier ins Wasser.„Das ganze Gelände ist mit der Strahlschlacke verseucht“, sagt Marwitz.

Und da ist noch etwas: Auf dem AG Weser-Gelände wurde seit 1987 eine Helgenschräge mit Bauschutt zugekippt. Dafür kassierte Grunau. Was passierte abends, wenn die LKW's mit dem Bauschutt weg waren? Marwitz hat damals Aktennotizen zu dem heiklen Thema gemacht, geändert hat das nichts. „Machen Sie da mal Probebohrungen!“, sagt der ehemalige Grunau-Betriebsleiter. Man könnte auch in den Büchern nachsehen, wievuiel Schlacke eingekauft worden sei, dies mit den offiziell zur Deponie abgelieferten Mengen vergleichen und fragen, wo die „nicht unerhebliche Differenz“ geblieben ist, sagt Marwitz. Andere ehemalige Grunau-Mitarbeiter bestätigen das.

Zuständig für die Kontrolle der Sondermüll-Entsorgung ist das Amt für Abfallwirtschaft (ASA). Das ASA kontrolliert aber nicht, ob eine Firma mehr Stahlschlacke einkauft als sie entsorgt. Könnte es sein, daß es da erhebliche Unterschiede gibt? ASA-Mann Wilfried Pamperin zur taz: „Da würden wir nie hinterkommen.“ K.W.