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Verpaßte Chance

■ Wirklich debattiert wurden die grünen Strukturen nicht

Verpaßte Chance Wirklich debattiert wurden die grünen Strukturen nicht

Ludger Volmer und Christine Weiske gebührt Respekt. Wenig konkret zwar und noch ohne rechtes Profil präsentierten sie sich gestern als neue Vorsitzende der Grünen in Bonn. Viel sprachen beide von der nächsten grünen Zukunft. Gar nicht ergingen sie sich darin, die Schuldigen dafür zu suchen, daß der Parteitag am Wochenende so zermürbend, so zerstörerisch geriet. Worauf sie verzichtet haben, betreiben jetzt andere umso gründlicher — und meist ohne jede Selbstkritik. Dabei würde diese vor allem den MatadorInnen aller Strömungen gebühren.

Etwa den Realos um Joschka Fischer. Vor und in Neumünster erklärten sie die Strukturreform wiederholt zum exklusiven Projekt der eigenen Strömung. Das machte dieses Unterfangen zumindest unattraktiv. Ob der Parteitag gelingen würde, verknüpften sie öffentlich mit einer Forderung an die Delegierten, die diese nicht erfüllen konnten: daß die längst existierende Vorherrschaft der Realos nun auch offiziell bestätigt werden müsse — etwa indem man einen Parteivorstand wählt, den diese Strömung und der Aufbruch dominieren.

Und auch Ludger Volmer: Es mag paradox klingen. Aber so, wie der neue Grünen-Vorsitzende am Wochenende in Neumünster auftrat, den großen Frieden zwischen den Strömungen auszurufen, verhindert auch er ebendiesen. Der gemäßigte Linke Volmer als allzu eilfertiger und demonstrativer Verfechter eines programmatischen Zusammengehens mit dem beinharten Realo Fritz Kuhn; Volmer, der ausgewiesene Vertreter einer grünen Politik der sozialen Gerechtigkeit als verschämter Verteidiger eben dieser Politik... So und so ähnlich haben nicht wenige der linken Delegierten den Sprecher des Linken Forums erlebt. Manche haben ihn so auch erlitten — und deswegen der Strukturreform die Stimme verweigert: Taugt der Exponent des eigenen Lagers nicht, die politische Identität zu bestätigen, dann muß notfalls eine alte Stifterin links-grüner Identität herhalten: die herrschende, angeblich basisdemokratische Struktur. Das mag man verurteilen. Das muß man aber auch verstehen.

Es wäre nicht schade um die Strukturreform, sähe man — wie viele Grüne — in ihr lediglich die Chance oder die Gefahr, daß profilierte Mandatsträger Innen gleichzeitig der Partei vorsitzen. Eine wirkliche Strukturreform birgt aber viel mehr. In Neumünster wurde mit ihr freilich nur Schindluder getrieben, sprich Strömungspolitik gemacht. Die Debatte über eine Strukturreform blieb Stellvertreterdebatte. Und so hatte dieses Mehr in Neumünster keine Chance — nicht einmal die, daß nach ihm gefragt wurde.

Viel zu lange schon lamentieren die Grünen darüber, daß ihre ureigensten Themen — Ökologie etwa, Gleichberechtigung, Migration — von anderen Parteien „weggenommen“ wurden, diese Themen dennoch keinesfalls erledigt sind. Nicht länger können sie es daher hinausschieben, sich die daraus resultierenden Fragen zu stellen. Beschließt man, lediglich weitere Themen aufzuspüren und ans Licht der Öffentlichkeit zu befördern? Oder macht man sich daran, die gewonnenen Erkenntnisse wirklich in Politik umzusetzen und diese wirksam zu vermitteln? Und wie schafft man, entscheidet man sich hierfür, letzteres? Mit welchen Strukturen? Die basisdemokratischen in ihrer bisherigen Form reichen nicht aus. Die traditionellen der anderen Parteien legen sich auf die Inhalte. Mehr Verbindlichkeit als bisher in der Grünen Partei üblich ist vonnöten, mehr Transparenz, mehr Vernetztheit. All dies in den Streit um die Trennung von Amt und Mandat zu packen ist nicht nur durchsichtige Machtpolitik. Es ist nicht nur oberflächlich. Es ist für den Fortbestand der Grünen die größte Gefahr. Ferdos Forudastan

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