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Senior der europäischen Parteivorsitzenden tritt ab

Der christlich-soziale Südtiroler Silvius Magnago trotzte Rom in über dreißigjährigem Ringen ein Autonomiestatut ab  ■ Aus Bozen Hans Mayr

Seit 1957 war Silvius Magnago Obmann der Südtiroler Volkspartei, jener Sammelbewegung der deutschsprachigen Minderheit in der Provinz Bozen mit christlich-sozialem Hintergrund, die, seit es freie Wahlen in Italien gibt, konstant um die 90 Prozent der deutschsprachigen Wählerschaft für sich zu gewinnen wußte. 34 Jahre lang, länger als jeder andere Parteivorsitzende in Europa, stand Magnago an der Spitze der Partei und war praktisch der einzige Verhandlungspartner, wenn es darum ging, in Rom die Ansprüche der tirolischen Minderheit zu vertreten. Sein Name bleibt mit dem Kampf um die Südtirol-Autonomie verbunden, die er in zähen Verhandlungen mit mindestens 30 Regierungen in Rom durchzusetzen wußte.

Doch trotz seiner langen Obmannschaft hat der 1914 in Meran geborene, schwer kriegsversehrte Magnago diese Verhandlungen nicht zu Ende geführt. Am vergangenen Samstag hat er, 77jährig, auf der Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei in Meran die Parteiführung an den Bozner Rechtsanwalt und langjährigen Parlamentarier der Volkspartei in Rom, Roland Riz übergeben. Bis zum Spätherbst soll sein Nachfolger sich mit Rom über die Streitpunkte einigen.

Die Hauptproblempunkte, die einem Abschluß der Südtirol-Autonomie noch immer im Wege stehen, sind die Errichtung eines zweisprachigen Oberlandesgerichtes in Bozen und zum anderen die Beseitigung der „Koordinierungsbefugnis“ des Staates. Ein vor wenigen Jahren verabschiedetes Staatsgesetz ermöglicht es nämlich der Zentralregierung in Rom, alles was sie im Staat für wesentlich hält, als ihren Zuständigkeitsbereich zu erklären. Die Folge davon ist, daß die Autonomie nicht nur in Südtirol, sondern auch in allen anderen Regionen Italiens mit Unterstützung des Verfassungsgerichtes ausgehöhlt werden kann.

In jahrzehntelangen mit unwahrscheinlicher Beharrlichkeit geführten Verhandlungen hat Magnago einem mächtigen Zentralstaat ein Autonomiestatut abgerungen, das nicht nur ein selbstverwaltetes politisches Leben in Südtirol ermöglicht hat, sondern darüberhinaus zu einem Symbol der Hoffnung für viele Minderheiten in Europa geworden ist. Es vergeht kaum eine Woche, ohne daß nicht eine Delegation vor allem aus den früheren Ostblockländern in Bozen vorbeischaut. Simon Wiesenthal hat die Israelis und die Palästinenser kürzlich aufgefordert, sie sollten sich das Autonomiestatut der Südtiroler genauer anschauen. Der österreichische Außenminister Alois Mock will Magnago für den Friedensnobelpreis vorschlagen. Der Antrag ehre ihn zwar, meinte Magnago dazu, doch gab er gleichzeitig zu verstehen, daß er sich um zwei Schuhnummern zu klein dafür fühle. Im übrigen gelte es auch festzuhalten, daß es in Südtirol nicht immer so friedlich zugegangen ist. Die Südtirol-Autonomie — das hat sich jetzt erwiesen — ist durch die berühmte Feuernacht von 1961 in Schwung gebracht worden. Damals sind in einer einzigen Nacht Hunderte Bomben hochgegangen. Und in dieser Feuernacht hatten immerhin führende österreichische Politiker vom Schlage eines Bruno Kreisky ihre Finger mit im Spiel, wie ein aufsehenerregendes Interview des österreichischen Verlegers Fritz Molden mit dem Sender Bozen vor kurzem ergeben hat. Mit großem Erfolg: Kreisky, der die Südtirolfrage dann erfolgreich vor der UNO vertreten hat, hätten zwei der Bombenleger sogar einige Teilstücke des gesprengten „Aluminium-Duce“ von Waldbruck (Reiterstatue Mussolinis) als Trophäe ins Wiener Außenamt überbracht.

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