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El Salvadors Frist läuft heute ab

Heute muß El Salvadors Parlament das am Samstag geschlossene Abkommen zwischen Regierung und FMLN absegnen/ Für beide Seiten sind wichtige Punkte offengeblieben/ Wichtige Reformen im Justizwesen und in der Wahlvorbereitung  ■ Aus San Salvador Ralf Leonhard

Das Abkommen, mit dem am vergangenen Samstag abend eine mehr als dreiwöchige Dialogrunde zwischen FMLN und der Regierung in Mexiko endete, wird hier mehrheitlich positiv kommentiert. „Wichtig und wertvoll wenn auch unzureichend für einen Waffenstillstand, aber immerhin sind die ersten Schritte getan“, war die spontane Einschätzung von Edgar Palacios, dem Koordinator des „Permanenten Komitees für die Nationale Debatte“. Für Jorge Villacorta von der sozialdemokratischen „Convergencia Democratica“ ist das Abkommen unerwartet erfreulich.

Gleich am Sonntag wurde der zuständige Parlamentsausschuß zu einer Sondersitzung einberufen, um die in Mexiko beschlossenen Reformen des Grundgesetzes für das Plenum vorzubereiten. Das Parlament muß die Beschlüsse noch vor dem Auslaufen seiner Amtsperiode am 30.April absegnen.

Es war die längste und wahrscheinlich schwierigste Verhandlungsrunde, die Samstag nacht mit dem Abkommen von Mexiko endete. Die FMLN hatte anfangs versucht, die Reform des Artikels 248 durchzusetzen, der festlegt, daß die Verfassung nur durch das Votum zweier aufeinanderfolgender Parlamente reformiert werden kann. Alle weiteren Reformen hätten dann ohne Eile diskutiert werden können. Präsident Cristiani, der einerseits Ergebnisse vorlegen muß, wenn er den Kongreß in Washington bei Laune halten will, und andererseits von den Ultras seiner eigenen Partei unter Druck gesetzt wird, ließ zuerst Kompromißbereitschaft durchblicken und steckte dann zurück. Dabei half ihm ein Antrag der Parteien im Parlament, der anstelle der Reform des Artikels 248 die Abänderung von 24 Artikeln der Verfassung vorschlug. Durch diesen Vorstoß überrumpelt fanden sich die Verhandlungsführer der FMLN plötzlich in der Defensive, konnten aber schließlich solange an den Vorschlägen feilen, bis ein für alle akzeptables Ergebnis herauskam.

Die Comandantes der Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) können das Abkommen nur als Teilerfolg feiern, denn wenn es auch gelang, die Militärs verfassungsrechtlich an die Leine zu legen und die Vorbereitung der nächsten Wahlen einem überparteilichen Organismus zu übertragen — wodurch die theoretischen Voraussetzungen für faire Wahlen 1994 geschaffen wurden — blieben doch wichtige Punkte offen: der unflexible Mechanismus für Verfassungsreformen, die Auflösung der brutalen Sicherheitskräfte, die Regelung der Landeigentumsfrage, die Einführung des Plebiszits als Mittel direkter Demokratie. In einer Zusatzerklärung zum Abkommen von Mexiko will die FMLN festgehalten wissen, daß sie an der Diskussion dieser Themen festhält und daß sie mit der Definition der Streitkräfte als „permanente Einrichtung“ nicht einverstanden ist.

Ein harter Brocken für das Militär

Die Armee ihrerseits, vertreten durch den Vizestabschef Mauricio Vargas, hätte das Dokument nicht unterzeichnet, wenn nicht ihr Weiterbestehen garantiert worden wäre. Es war schon ein harter Brocken, zu akzeptieren, daß die Streitkräfte in Zukunft nicht mehr den Rang einer Staatsgewalt haben sollen, sondern der Exekutive unterstellt werden. Nurmehr in Ausnahmefällen und auf Anordnung des Präsidenten als Oberbefehlshaber sollen die Militärs in innere Konflikte eingreifen dürfen. Und selbst in solchen Fällen wird das Parlament den Einsatz stoppen können. Durch die Schaffung einer dem zivilen Innenministerium unterstellten professionellen Polizei wird die Allmacht der Armee weiter beschnitten.

Was vielen Offizieren besondere Bauchschmerzen bereiten dürfte ist die Einsetzung einer „Kommission der Wahrheit“, die allen besonders schwerwiegenden Gewaltverbrechen seit 1980 auf den Grund gehen soll. Anders als von der Armee gefordert, wird diese Untersuchung keine innerinstitutionelle Angelegenheit sein, sondern drei vom UN- Generalsekretär ernannten Persönlichkeiten übertragen. Die Verantwortlichen einer Reihe zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts verübter Massaker, die Auftraggeber des Mordes an Erzbischof Romero, die Hintermänner des Mordes an sechs Jesuitenpatres sind heute größtenteils in führenden Positionen in der Armee oder als Abgeordnete der Regierungspartei im Parlament.

Vor wenigen Wochen noch suchten die Generäle und Obristen des Generalstabs mit Kampfanzügen bekleidet den Präsidenten in seinem Wohnhaus auf. US-Staatssekretär Bernard Aronson mußte einfliegen, um einen drohenden Staatsstreich zu stoppen.

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung des Abkommens in Sachen Justizreform und Wahlrecht. Der Oberste Gerichtshof war bisher ein Instrument der Regierungspartei, die dessen Mitglieder mit einfacher Parlamentsmehrheit bestimmen konnte. Jetzt müssen die Höchstrichter mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Für das Richteramt wird ein Mindestmaß an fachlicher Qualifikation gefordert. Namentlich die Friedensrichter auf dem Land waren bisher Marionetten der Militärs. Ein Prokurator mit weitgehenden Befugnissen soll über die Einhaltung der Menschenrechte wachen.

Was die Wahlen betrifft, so soll der aus Vertretern der drei stärksten Parteien bestehende Zentrale Wahlrat durch ein Oberstes Wahltribunal ersetzt werden, dessen fünf Mitglieder vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit aus parteilosen Persönlichkeiten ausgewählt werden. Bei den Wahlen im Vormonat wurden durch ein manipuliertes Wahlregister Zehntausende Wähler von der Stimmabgabe ausgeschlossen. In Zukunft sollen die Listen mindestens 20 Tage vor dem Wahltag veröffentlicht werden, um zeitgerechte Einsprüche zu ermöglichen.

Damit das Abkommen Gültigkeit erlangt, müssen alle darin enthaltenen Verfassungsänderungen bis heute vom Parlament beschlossen und dann von der ab 1. Mai amtierenden Nationalversammlung ratifiziert werden. Erst dann können die Verhandlungen um einen definitiven Waffenstillstand ernsthaft beginnen.

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