: Republiksender für Rußland
■ Nach zähem Hickhack kann neues russisches Fernsehen im Mai auf Sendung gehen
Moskau (afp) — Das neue russische Fernsehen will am 12.Mai auf Sendung gehen. Dies wird möglich, nachdem sich die Zentralmacht und die russische Regierung in dieser Woche nach monatelangen und mühsamen Verhandlungen über den Sender geeinigt haben. „Unser Fernsehen spiegelt die Beziehungen zwischen Jelzin und Gorbatschow wider“, sagt Igor Dobrodejew, Pressechef des Senders, zum Hickhack um die Genehmigung des Mediums. Wie viele reformorientierte Journalisten hatte Dobrodejew das staatliche Gosteleradio im Dezember verlassen, nachdem Staatschef Michail Gorbatschow an die Spitze der Behörde den konservativen Leonid Krawtschenko gesetzt hatte. Krawtschenko war vorher Chefredakteur der amtlichen Nachrichtenagentur 'tass‘. Trotzdem wollen sie kein gegen Gorbatschow gerichtetes Programm machen, unterstreicht Dobrodejew. „Wir wollen einfach nur eine wirkliche Nachrichtensendung verbreiten. Wir sind keine Leitartikelschreiber.“ Die zentrale Nachrichtensendung des staatlichen Fernsehens, „Wremja“, hält Dobrodejew, früher einer ihrer stellvertretenden Chefredakteure, nicht mehr für ein Informationsprogramm: „Sie ist das Sprachrohr der sowjetischen Führer.“ Trotzdem vermeidet er im Gespräch offene Kritik an Krawtschenko, auf dessen Bereitschaft zur Zusammenarbeit er auch an seinem neuen Arbeitsplatz angewiesen ist.
Die Vereinbarung über den neuen Sender ist am Dienstag vom Generaldirektor des russischen Fernsehens, Anatoli Lyssenko, und dem Vizechef des sowjetischen Fernsehens, Waleri Lagutkin, unterzeichnet worden. Danach verfügt das russische Fernsehen über sechseinviertel Stunden Sendezeit auf dem zweiten Programm, für die es jedoch bezahlen muß. Es mietet auch Studio und Ausrüstung vom sowjetischen Fernsehen. Im zentralen Fernsehgebäude steht dem Republiksender ein Studio für seine Informationssendung Westi (Nachrichten) zur Verfügung. Westi soll zweimal täglich um 20 und 23 Uhr für jeweils zwanzig Minuten ausgestrahlt werden. Aufgrund der zehn verschiedenen Zeitzonen innerhalb Rußlands hat jedoch ein großer Teil der potentiellen 150 Millionen ZuhörerInnen und ZuschauerInnen keine Chance, die kritischen Sendungen zu hören. Das russische Parlament mit seinem Präsidenten Boris Jelzin hatte im vergangenen Jahr beschlossen, im ersten Vierteljahr 1991 ein eigenes Fernsehen zu gründen, da Rußland als einzige Republik der Sowjetunion noch keines hatte. (Georgien verfügt sogar über zwei Sender.) So wurde die russische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft ins Leben gerufen. Ihr Haushalt von 622 Millionen Rubel wird vom Parlament finanziert. Es sollen jedoch noch andere Finanzquellen erschlossen werden.
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