: Gibt es eine „spanische Lösung“ für Rumänien?
Ex-König Michael aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen ist bereit, zum dritten Mal den rumänischen Thron zu besteigen ■ Von William Totok
„König Michael, König Michael!“ skandierten Zehntausende auf dem Bukarester Universitätsplatz am ersten Jahrestag der Revolution, dem 21.Dezember 1990. Auf einem Balkon des Hotels „Intercontinental“ zeigte sich fähnchenschwingend Prinzessin Margareta, die älteste der fünf Töchter des am 30.12. 1947 zur Abdankung gezwungenen rumänischen Königs MichaelI.. Drei Tage später sorgte das von den spektakulären Ovationen verschreckte Iliescu- Roman-Regime für andere Schlagzeilen in der Weltpresse: Ex-König Michael wollte ohne jedweden Hintergedanken, so verlautete aus seinem Pressebüro, bloß an den Gräbern seiner Vorfahren beten. Ihm wurde die Einreise verboten.
Wenn bis dahin nur vereinzelte promonarchistische Stimmen im Land zu hören waren, so veränderte sich nach diesem Faux-pas der Regierung die Lage schlagartig: Selbst erklärte radikaldemokratische Linke, wie der Gründer der von der Gruppe für sozialen Dialog herausgegebenen oppositionellen Wochenzeitung '22‘, Stelian Tanase, setzten nun auf die „spanische Lösung“. Im König erblicken kritische Intellektuelle plötzlich eine nationale Integrationsfigur, der die Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen und einer zivilen Gesellschaft garantieren würde. Die „Bürgerallianz“, ein Zusammenschluß der intellektuellen Opposition, in deren Reihe viele Dissidenten der Ceausescu-Zeit zu finden sind, plädiert seither für ein Referendum, in dem über die zukünftige Staatsform, „Präsidial“-Republik, parlamentarische Republik oder konstitutionelle Monarchie abgestimmt werden soll. Die radikalen Anhänger des Königs reden allerdings, so die monarchistische Zeitung 'Vox‘ (Nr. 1/1991), von der bedingungslosen Reinthronisation, der eine Volksbefragung über die Staatsform folgen könne.
Der in seinem Genfer Exil sitzende Ex-Monarch hat nie auf seinen Anspruch auf den Thron verzichtet: „Die monarchistische Tradition bei uns hat sich von den Dakern bis zu mir behauptet und ist nicht vom Willen des rumänischen Volkes unterbrochen worden, sondern diese Unterbrechung wurde von außen, von Stalin, aufgenötigt“, erklärte Michael vor knapp zwei Jahren in einem spektakulären Interview mit der taz.
Michael war bereits zweimal rumänischer König: Als Kind, von 1927 bis 1930, bis sein Vater, Karl II., ein europaweit bekannter Dandy und skandalumwitterter Abenteurer, wieder den Königsthron besteigen durfte und in den darauffolgenden Jahren für politische Verwirrung sorgte. Und als Jugendlicher: 1940 nämlich proklamierte der militärfaschistische Diktator und Hitler-Verbündete, Ion Antonescu, den nationalen Legionärsstaat und holte Michael auf den Königsthron zurück. Für den Staatsführer, Conducator Antonescu, stellte der junge Monarch eine leicht manipulierbare Repräsentationsfigur dar. Auf Schritt und Tritt hatte Michael dem Führer zu folgen, egal, ob es sich um Inspektionsreisen auf den Kriegsschauplatz handelte (Rumänien beteiligte sich an dem Überfall auf die Sowjetunion) oder um Routineauftritte bei staatlichen Festlichkeiten. Seine Reisen nach Rom und Berlin — wo ihm Hitler das Eiserne Kreuz verliehen hatte — werden dem König aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen von seinen Gegnern als „Charakterschwäche“ angekreidet. Aber 1944 warf Michael das Steuer herum und stützte sich fortan auf die Antonescu-Gegner, die Bauernpartei, die Liberalen und die Kommunisten. Die Anhänger des hingerichteten Antonescu, der heute als „Nationalheld“ rehabilitiert werden soll, können Michaels aktiven Beitrag zu dessen Verhaftung am 23.August 1944 nicht verzeihen.
Nach dem Putsch beteiligte sich Rumänien an der Seite der Alliierten am Krieg. Das Land geriet unter sowjetische Kontrolle, die beiden Übergangsregierungen nach dem Umsturz beugten sich dem Diktat des Kreml, um schließlich am 6.März 1945 die Macht an die prokommunistische Groza-Regierung abzugeben. Für seine Kooperationsbereitschaft erhielt Michael von Stalin den „Siegesorden“ und dürfte so der einzige Monarch sein, der sowohl von Hitler als auch von Stalin hohe Weihen empfangen durfte.
Das gute Einvernehmen zwischen „rotem Monarch“ und den moskauhörigen neuen Machthabern war nur von kurzer Dauer. Am 30.Dezember 1947 zwangen ihn Premierminister Groza und KP-Chef Gheorghiu- Dej die Abdankungsurkunde zu unterzeichnen, worauf er als Staatenloser das Land verlassen mußte. Im englischen Exil lebte der Ex-König bescheiden als Hühnerzüchter und übermittelte über westliche Rundfunksender lediglich seine pathetischen Neujahrsbotschaften. Ab 1956 war er in einer Flugzeugfirma als Ingenieur beschäftigt. Zuletzt siedelte er in die Schweiz über, wo er mit seiner Frau Anna aus dem Hause Bourbon-Parma lebt.
Ob Michael, dem jetzt die Einreise gestattet und die rumänische Staatsangehörigkeit zuerkannt wurde, wirklich die Rolle eines Juan Carlos in Rumänien spielen kann, sei dahingestellt. Das von politischen Zwistigkeiten zerklüftete posttotalitäre Rumänien wäre im Falle seiner Rückkehr um einen Konflikt reicher.
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