piwik no script img

Objekte im Dornröschenschlaf

■ Florain Trümbach in der Galerie Neue Räume

Eine mumifizierte Katze, die sich zum Sterben auf ein Gemälde gelegt hatte und mit ihm verschmolz; ein vierfünftel verwester Pferdekopf in Spiritus; zerbrechliche Wachsabdrücke menschlicher Körper, die von innen leuchten, hervorgegangen aus Performances des Künstlers; hermetisch verschlossene Aquarien mit Eiern, Tieren, Plastikfiguren: Objekte in Florian Trümbachs Ausstellung, die Mitte April eröffnet hat: Objekte mit Namen wie »Aufbruch Auroras«, »Fallada, das du da hangest«, »Genieße das Leben!«. Leben und Tod und ihre Metaphern sind die Pole, zwischen denen die Exponate oszilieren.

Dieses Oszilieren macht ihre Faszination aus. Denn alles das wirkt nicht tot, eher wie im Dornröschenschlaf, und nur ein Alien- Raumschiff müßte kommen, damit die verwesten Keimzellen irdischen Lebens erwachen. Die Maden im Schafbockschädel (»Der grüne Engel«) hat der Alkohol erst besoffen gemacht und dann getötet. Sie liegen konserviert auf dem Glasboden eines Aquariums, das geheimnisvoll grün leuchtet.

Ihre Intensität bezieht die Ausstellung nicht zuletzt aus der kleinen Anzahl ausgestellter Arbeiten: Neun Objekte und eine zwei Meter hohe Siebdruckreihe sind es nur. Dennoch, spätestens wenn der Besucher in den uralten Keller der Galerie hinabsteigt, wird er sich auf eine Reise begeben haben. Dort, allein im großen Kellerraum steht das komplexeste Ausstellungstück, der »Schrank der Gestirne«. Unten in einer Gründerzeitvitrine ein Glas mit einem riesigen Karpfen, in der Mitte ein quicklebendiger Goldfisch und oben ein Hase, wie der Karpfen in Spiritus, umgeben von kleinen, durchsichtigen Behältern voller Tand und toter Fischchen. Trotz allem Gestorbensein: die Anmutung, die sich einstellt, ist nicht die des Todes, und der kleine Goldfisch sieht nicht verzweifelt aus, obwohl er es vielleicht ist, und sicherlich sein sollte.

Die Ästhetik, der Trümbach zu folgen scheint, ist menschlich und primitiv, im Sinne von einfach und ursprünglich. Der leuchtende Schrank wäre das Weltmodell eines »Wilden«, oder aber die Monstranz eines mittelalterlichen Papstes. Indem diese Ästhetik jeden Stil negiert, außer den beiden einflußreichsten schlechthin, den der Evolution und den des Stils, sprcht sie die Sinne des Betrachter an, wie es sonst nur Märchen tun. »Die Siebdrucke auf langen Bahnen ergänzen das ironische Spiel mit Leben und Tod, mit stillgestandener Zeit und dem Prozeß der Verwesung. Es sind bunte Skelette auf Blümchentapeten, die, wenn man sie nur lange genug anschaut, fröhlich tanzen.« Marc Förster

bis 26.5. in der Galerie Neue Räume, Lindenstraße 39, 1-61, Di-So 17-2 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen