: Senator im Rausch
■ Am 100. Tag wurde bei der Kulturverwaltung gefeiert — und fröhlich liquidiert
Um einen »künstlerischen Neuanfang« am Berliner Ensemble bald zu ermöglichen, will Berlins Kultursenator Ulrich Roloff-Momin vermutlich noch bis Ende Mai einen neuen Intendanten für das Brecht-Theater am Schiffbauerdamm präsentieren. Der bisherige, langjährige Amtsinhaber Manfred Wekwerth, früheres Mitglied des SED-Zentralkomitees, den der Senator kürzlich öffentlich zum Rücktritt aufgefordert hatte, soll einen Auflösungsvertrag erhalten, teilte Roloff-Momin am Donnerstag vor Journalisten mit. Er könne sich auch vorstellen, daß auch »noch andere Stellen des Hauses neu besetzt werden«.
Bereits in diesen Tagen wolle er Gespräche mit den Brecht-Erben führen, die im Besitz der Aufführungsrechte der Stücke von Bertolt Brecht sind. Er könne sich als Ergebnis dieser Gespräche sowohl ein Stiftungsmodell als auch die Möglichkeit vorstellen, betonte Roloff- Momin, daß die Beziehung der Brecht-Erben zu diesem Theater ganz beendet wird. Sollte keinerlei Einigung mit den Brecht-Erben erzielt werden, sei auch denkbar, »daß an diesem Haus kein Brecht mehr gespielt wird«. Der Senator bezeichnete »eine solche dominierende Rolle von Privatpersonen« an einem staatlich subventionierten Theater als einen »Anachronismus«.
Und weil man gerade schon dabei war, wurde gleich auch noch die Auflösung der Akademie der Künste (Ost) zum Jahresende verkündet. Wie Roloff-Momin mitteilte, hätten die neuen Bundesländer »unisono« erklärt, daß sie an einer Mitfinanzierung dieser von Heiner Müller geleiteten Akademie als zweite Akademie der Künste in Berlin neben der im Westteil der Stadt von Walter Jens geleiteten Institution nicht interessiert seien. »So bleibt die Entscheidung beim Land Berlin, und wir wollen die Akademie zum Ende des Jahres schließen.«
Die wertvollen Archivbestände der Ostakademie sollen in ein Sondervermögen der Akademie West überführt werden. Es sei allerdings eine »Farce«, klagte der Kultursenator, daß die dafür erforderlichen Depositarverträge, aus denen die Verfügungen über das Schicksal der einzelnen Archivbestände in einem solchen Fall ersichtlich seien, von der Ostakademie »nicht herausgerückt werden«. dpa/taz
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