: „Zum Gelobten Land der Demokratie“
■ Die Unita setzt für die ersten freien Wahlen im nächsten Jahr auf das Charisma ihres Führers Jonas Savimbi
Die politische Wende hin zum Frieden ist der Unita leichtgefallen. Sie ist militärisch unbesiegt und kontrolliert ein Drittel des angolanischen Territoriums. Nun bereitet sich die bewaffnete Oppositionsbewegung auf die politische Schlacht vor: Der Unita-Kongreß in der Nähe ihres Hauptquartiers in Jamba im März stellte Jonas Savimbi fast einstimmig als Präsidentschaftskandidaten vor.
An ihrem Wahlsieg hat die Unita nicht die geringsten Zweifel: Sie setzt auf das Charisma ihres Führers, ein Volkstribun ohne politisches Pendant in Angola; dreizehn angolanische Sprachen beherrscht er und seine mehrstündige Ansprache vor seinen Delegierten erinnerte stark an die Auftritte seines kubanische Erzfeindes Fidel Castro. Allemal fraglich allerdings ist, ob der Zusammenhalt der Unita ohne ihren Führer gewährleistet wäre.
Der andere Trumpf der Unita besteht darin, daß sie im Unterschied zur MPLA-Regierung keine Rechenschaft über 16 Jahre bürokratischer Kriegsverwaltung wird ablegen müssen. Angola ist ein zerrissenes Land, von Hungersnöten gebeutelt. In den von der Regierung kontrollierten Zonen herrscht der „Kandonga“, der Schwarzmarkt. Glaubt man der Unita, kontrolliert die MPLA auf dem Land nur noch die Provinzhauptstädte.
Der Krieg hat jedoch — dies gibt auch Savimbi zu — 300.000 Todesopfer und 100.000 Kriegsversehrte gefordert. So bleibt abzuwarten, ob die kriegsmüde Bevölkerung nicht MPLA und Unita gleichermaßen ablehnen und beiden militärischen Organisationen eine zivile Opposition vorziehen wird — eine „dritte Kraft“, die gegenwärtig versucht, sich um den ehemaligen Priester Joaquim Pinto de Andrade zu scharen. Doch jede „dritte Kraft“ wird es schwer haben, gegen die mächtigen Propagandaapparate von MPLA und Unita anzukommen. Wie Savimbi ankündigt, will die Unita zusätzlich zu ihrer Radiostation „Stimme des Schwarzen Hahnes“ demnächst einen Fernsehsender einrichten.
Ein Grundproblem Angolas, das weit über freie Wahlen hinausgeht, ist die Entmilitarisierung der Gesellschaft. Savimbi schlägt Wiedereingliederungsprogramme für demobilisierte Soldaten beider Armeen vor. Doch während er bereit ist, die Regierungsluftwaffe und -marine in die zukünftigen einheitlichen Streitkräfte einzugliedern, will er den seiner Ansicht nach „geschlagenen“ MPLA-Soldaten keine Rolle in der Landesverteidigung zugestehen. Diese Forderung könnte den Friedensprozeß behindern.
Für jede zukünftige Regierung wird die größte Herausforderung darin bestehen, die zwei Gesellschaften zu verschmelzen, die sich in Angola jahrelang feindselig gegenüberstanden. Auf Unita-Seite hat sich eine spartanische, auf Naturalienhandel basierende Subsistenzwirtschaft entwickelt — eine Wirtschaft ohne Geld, in der die bewaffnete Partei das Verteilungsmonopol für medizinische Behandlung, Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Geräte innehat. Es ist ein System, das — obwohl vom CIA subventioniert — dem Kommunismus mehr ähnelt als das des Gegners. Der MPLA- Staat auf der anderen Seite der Front wird von einer Bürokratenkaste beherrscht, die von Öleinnahmen abhängig ist. In Luanda hat sich eine offene Gesellschaft entwickelt, bis hin zu den an den brasilianischen „Telenovelas“ angelehnten Konsumleitbildern. Die Meinungsfreiheit ist verwirklicht, doch die sozialen Ungleichheiten sind enorm.
Eine weiterer Unterschied besteht in dem beispiellosen Personenkult, der in den von der Unita kontrollierten Gebieten geradezu auffällig ist: Gigantische Transparente mit den Konterfeis Savimbis, seines Vaters sowie seiner Mutter machen aus dem Unita-Führer und seinen Vorfahren eine heilige Familie. In Luanda gibt es nichts Vergleichbares. Auf der Tribüne des 7. Unita-Kongresses im März folgte eine Lobhudelei der anderen. Spitzenreiter in dieser Zeremonie war der südafrikanische Anwalt Sean Cleary: Für ihn besteht der Unterschied zwischen Savimbi und Moses darin, daß Savimbi niemals von Zweifel befallen worden ist und „mit sicherer Hand Angola zum Gelobten Land der Demokratie führen wird“. François Misser
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