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Klatsch zwischen Ostsee und Spree

Zwischen Jadebusen und Fehrman- Belt liegt die Heimat von Marianne, auf Marsch folgt Geest und auf Geest folgt das östliche Hügelland, und dann kommt niemand mehr um Bad Oldesloe, die Kreisstadt des Doppelkorns mit eigenem Autobahnanschluß herum. Und weil Marianne dort weilte, zwischen den Schwarzbunten am schönen Strand der Trave, die hier bald in die Ostsee mündet, kommt auch ihre Gesellschaftsspalte diesmal von dort, aus Fischkopfland.

Auch Hannelore, die Kanzlergattin, war da, in Lübeck auf dem Presseball, und präsentierte sich wie immer als lebendige Beleidigung für das Frisörhandwerk, angetan mit einem bodenlang und -losen Kleid in rot-lila, einem brutalen Gemisch aus Russenkittel und Pfälzer Folklore mit Goldkanten an jeder Öffnung. Die Restgäste störten sich daran nicht, kein Wunder, mußten sie doch auch stundenlang Glanzgrübchen Roy Black ertragen. Selbst Edgar Bessen (Ex-Ohnesorg), der geschmackvoll plattschnackende Beamtendarsteller, rang sich auf dem Gruppenfoto mit der First Lady ein Lächeln ab. Schade.

Landesvater Björn Engholm, Barschelerbe, Vogelfolger und als intellektueller Genußraucher berüchtigt, hatte zuvor die norddeutsche Vor- Lesewoche »Der Norden liest los« eröffnet. Die 200 Leseveranstaltungen in allen fünf Nordländern sollen beweisen, wie weit man es in diesen kargen Regionen mit Alphabetisierung schon getrieben hat, weshalb Engholm folgendes losließ: »Wer Lesen gelernt hat, ist gegen manche Gefährdung, gegen manche Sucht unserer Zeit und auch ganz schlicht gegen Langeweile gefeit.« Er kann damit wohl kaum sein eigenes politisches Midlife-Testament »Vom öffentlichen Gebrauch der Vernunft« gemeint haben. Denn das noch recht frische Bekenntniswerk ist gefährlich dick, macht süchtig nach niederster Groschenliteratur und langweilt auf hohem Niveau.

Soviel von der Marsch, jetzt zurück in das angehende Olympia- und Regierungsdorf, wo sich Kanzler und Minister bereits um die schönsten Hütten kloppen. Unterdessen kühlen Grüne- und Bündnis-90-Aktivisten ihre Beulen vom Bundesparteitag auf Geburtstagsparties und Hochzeitsfeiern. Jürgen Wachsmuth, parlamentarischer Geschäftsführer der Abgeordnetenhausfraktion, ist ab sofort unweigerlich 40 und bekam anläßlich dieses Ereignisses eine Bananenstaude geschenkt. Absender: Ditmar Staffelt, heute wie ehemals SPD-Fraktionschef, selbst Liebhaber kohlehydrathaltiger Genußmittel. Nostalgische Erinnerungen an Zeiten, als die AL noch Bestandteil einer Regierung war und dem Sozialdemokraten in langen Krisensitzungen den Obstteller wegputzte. Damit es Wachsmuth nicht ergeht wie George Bush (dem blieb beim Joggen in Camp David kurz die Luft weg), bekam Wachsmuth von AL- Freunden farbenfrohe Tennisshorts überreicht. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, verfügt der Geschäftsführer über eine harte Vorhand, während die Rückhand meist unterschnitten im Netz landet. »Don't marry, be happy« — diesem bewährten Motto verweigerten sich Rolf Kauffeldt, bekannt als unerschütterliche Säule der AL im Bereich »Demokratische Rechte«, und Gattin Doris und ließen sich in einer weißen Kutsche durchs SO 36 zum Standesamt ziehen. Drum prüfe, wer sich ewig bindet...

Vertan hatte sich Neu-SPDler Otto Schily. War er doch dem Begehren der falschen Radio-100-Nachfolgegesellschaft aufgesessen und hatte seinen Namen, Marianne meldete es letzte Woche, der Bewerbergruppe um Schmidt & Partner zur Verfügung gestellt. Mittlerweile hat er seinen Irrtum relativiert, wie er in einem Brief an den früheren Radio-100-Geschäftsführer Thomas Thimme, den er noch aus gemeinsamen grünen Bonner Tagen kennt, einräumte. Marianne

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