: Professionell gegen Ausländerfeindlichkeit
■ 200 Flüchtlinge und ImmigrantInnen trafen sich zu internationalem Kongreß in Kreuzberg/ Berliner Ausländergruppen konnten von französischen und britischen Initiativen eine Menge lernen/ Eigenes Medienprogramm, straffe Organisationsformen
Kreuzberg. Immer häufiger taucht Gewalt gegen Ausländer in den Schlagzeilen auf, besonders die rassistisch motivierten Übergriffe in der Ex-DDR erschrecken. Vor diesem Hintergrund gewann ein internationaler Kongreß von ImmigrantInnen und Flüchtlingen, der am Wochenende im Kreuzberger Freizeitheim »CHIP« stattgefunden hat, kräftig an Bedeutung. Rund 200 Menschen aus allen Bundesländern und zahlreichen europäischen Nachbarländern erarbeiteten Strategien gegen Ausländerfeindlichkeit und tauschten Informationen über ihre Arbeit aus. Schon seit 1986 treffen sich Initiativen aus allen Teilen Deutschlands. Yonas Endrias vom Immigrantenpolitischen Forum: »Der Kongreß dient dazu, andere Leute kennenzulernen und über Perspektiven der antirassistischen Selbstorganisation zu diskutieren.« Dabei wurden Projekte vorgestellt, die von Berliner Ausländergruppen als mögliche Vorbilder interessiert aufgenommen worden sind.
Doch zuerst mußten sie sich auf eine für alle verständliche Sprache verständigen. Yonas Endrias: »Wir sind hier in Deutschland, und hier ist Deutsch die Hauptsprache und nicht Kurdisch oder Tamilisch.« Mit Sprachproblemen hielt sich Wayne Farah aus London nicht auf. Seine Gruppe, das britische Flüchtlingsforum, berät rund um die Uhr, besorgt Anwälte für Gefangene und versteckt Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht. Zusätzlich wurden in den letzten zehn Jahren 150 Häuser für Flüchtlinge gebaut. Wayne Farah: »In diesem Jahr bauen wir eine neue Straße mit Häusern für Flüchtlinge.« Die konservative Regierung stellt dazu umgerechnet rund 15 Millionen Mark bereit.
In Berlin fehlen vergleichbare Initiativen bisher. Beim antirassistischen Telefon hört sich jemand zweimal die Woche für jeweils zwei Stunden an, wo rassistische Überfälle stattgefunden haben. Die restlichen 164 Stunden spricht Kollege Anrufbeantworter mit den Anrufenden. Yonas Endrias: »Da machen keine ImmigrantInnen mit, sondern nur Deutsche, die linken Promis. Ich finde es unverantwortlich, dies antirassistische Arbeit zu nennen.«
Eines haben sich ImmigrantInnen von den »linken Promis« abgeschaut: Die chaotische Selbstorganisation soll besser organisiert werden, der Bundeskongreß der ImmigrantInnen und Flüchtlinge soll Ansprechpartner für die Politik werden — Vorbild ist die Bundeskonferenz der entwicklungspolitischen Gruppen (kurz: BUKO).
In diese Richtung geht auch das Projekt 'IM'media‘ aus Paris. Seit 1983 produziert die Presseagentur Sendungen für das staatliche Regionalfernsehen und arbeitet zusammen mit Zeitungen wie der 'Libération‘. Jetzt wollen sie europaweit Nachrichten von und über ImmigrantInnen verbreiten. Am Wochenende haben sie eine Zusammenarbeit mit der dänischen Gruppe »third worldwide« und dem Immigrantenpolitischen Forum vereinbart.
Die bisher acht Leute der Berliner Gruppe bilden sich erst einmal selber weiter: im Jugendheim »CHIP« und beim »Offenen Kanal«. Ein Lehrbeispiel steht schon zur Verfügung. 'IM'media‘ hat einen 30minütigen Film über Rassismus in Deutschland produziert. Ergebnis des Kongresses: Die ImmigrantInnen und Flüchtlinge sind auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sprache. kdb
Immigrantenpolitisches Forum (IPF), Oranienstraße 159, 1000 Berlin 61, Telefon: 6145098.
Siehe auch Bericht auf Seite 6
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