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Kurden fordern feste Garantien von Saddam

Vor der zweiten, abschließenden Verhandlungsrunde zwischen oppositionellen Kurden und dem irakischen Regime werden Zweifel an der Glaubwürdigkeit Saddams angemeldet/ Internationale Garantien der Vereinbarungen vonnöten  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Mit großer Skepsis werden innerhalb der UNO sowie in kurdischen Kreisen die Verhandlungen zwischen oppositionellen Kurdenorganisationen und dem irakischen Regime verfolgt, deren zweite Runde heute in Bagdad beginnen sollte. Laut der 'Washington Post‘ von gestern sind die Gespräche aber wegen noch bestehender Meinungsverschiedenheiten der kurdischen Organisationen verschoben worden.

Die Kurdendelegation wird diesmal vom Chef der „Demokratischen Partei Kurdistans“ (DPK), Mustafa Barzani, angeführt. Nach Abschluß der ersten Runde hatte der Führer der „Patriotischen Front Kurdistans“, Dschalal Talabani, am letzten Donnerstag verkündet, Saddam Hussein habe die Auflösung des Revolutionären Kommandorates, freie Wahlen „binnen sechs Monaten“ sowie die Einführung eines Mehrparteiensystems zugesagt. Außerdem habe er „im Prinzip“ einer Generalamnestie für die Kurden und Schiiten zugestimmt, die während der Rebellion gegen das Regime gefangengenommen wurden. Zudem sei vereinbart worden, daß die bedeutende Ölstadt Kirkuk im Nordirak einem autonomen Kurdistan zugeschlagen wird, und daß die Kurden einen Teil der Einnahmen aus den in ihrem Gebiet liegenden Ölfeldern erhalten sollen.

UNO-Diplomaten verweisen darauf, daß diese angeblichen Zugeständnisse bislang vom irakischen UNO-Botschafter nur mündlich UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar unterbreitet wurden. KurdenvertreterInnen in Genf — wie auch in Teheran und Damaskus — begründeten in den letzten Tagen ihre Skepsis mit den schlechten Erfahrungen der Vergangenheit. Bereits 1970 schloß das irakische Regime eine ähnliche Vereinbarung mit Mustafa Barzani, die jedoch nie eingelöst wurde. Seitdem wurden — die Zeit seit Ende des Golfkrieges nicht mitgerechnet — über 200.000 Kurden umgebracht. Im April 1989 ließ Saddam Hussein ein Parlament mit 250 ihm treu ergebenen Abgeordneten „wählen“, das über keinerlei eigenständige Kompetenzen verfügt. Am 19. Juli 1990, wenige Tage vor der irakischen Invasion in Kuwait, segnete dieses Parlament einen Entwurf für eine neue, demokratischere Verfassung ab. Am selben Tag versprach Saddam die Abhaltung einer „direkten, geheimen Volksabstimmung“ noch im Jahr 1990.

Selbst Mitglieder der PUK kritisieren Talabanis bisherige Verhandlungsführung und seine „zu große Annäherung“ an Saddam Hussein. Einige vermuten taktische Motive. Talabani wolle möglicherweise Zeit gewinnen für einen Wiederaufbau der in den letzten Wochen von den irakischen Regierungstruppen weitgehend vernichteten bewaffneten kurdischen Verbände. Doch — so die Befürchtung der Kritiker — ermöglichten die jüngsten Vereinbarungen Saddam Hussein vor allem, die internationale Isolation seines Regimes zu durchbrechen und eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen zu erreichen. Moniert wird auch, daß bei den bisherigen Erfolgsmeldungen Talabanis nicht von internationalen Garantien für die Einhaltung der Vereinbarungen die Rede war. An diesem Punkt erwarten KurdenvertreterInnen, daß die USA, Großbritannien und Frankreich — schon allein aus Eigeninteresse — stärker initiativ werden. Denn nur bei eindeutigen internationalen Garantien für Vereinbarungen mit Bagdad seien die Kurden bereit, in ihre Siedlungsgebiete zurückzukehren.

Die USA streben „autonome Region“ an

Die Vereinigten Staaten streben im Irak eine „permanente gesicherte autonome kurdische Region“ an, deren militärische Sicherheit von den Vereinten Nationen oder einem dritten Land mit multilateraler Unterstützung garantiert werden soll. Dies berichtete die britische Zeitung 'The Independent‘ unter Berufung auf ein vertrauliches US-Militärpapier. Interesse Washingtons ist dabei, möglichst rasch seine Truppen aus dem Nordirak abziehen zu können. US- Präsident Bush kommentierte den Zeitungsbericht mit den Worten, der Plan beschreibe keine offizielle Regierungspolitik. Die USA wollten den Irak nicht zergliedern oder aufteilen, andererseits müsse das Leben der Kurden geschützt werden.

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