Daimlers Diesel sollen durchs Emsland düsen

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung will Genehmigungsverfahren für Daimler-Benz-Testgelände einleiten/ Teure Ausgleichsmaßnahmen für Betonpiste im Moor bei Papenburg/ Grüne Landtagsfraktion fürchtet Aufstand der Parteibasis  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die Furcht vor der eigenen Parteibasis geht um in der Landtagsfraktion der niedersächischen Grünen. Just in der Woche vor dem Grünen Landesparteitag im emsländischen Papenburg will die rot-grüne Landesregierung in Hannover die Weichen stellen für den Bau einer Teststrecke des Daimler-Benz Konzerns. Standort: Papenburg. Beschließen wird das Landeskabinett am Dienstag die Einleitung der Umweltverträglichkeitsprüfung und des Raumordnungsverfahrens für das Beton-Oval. Die grüne Fraktionsvorsitzende Thea Dückert hat sich noch ausbedungen, daß der Verkauf der landeseigenen Flächen bei Papenburg an Daimler „erst rechtsgültig wird, wenn UVP und Raumordnungsverfahren positiv ausgehen“. Daimler Benz wird sich aller Voraussicht nach schon am 9. Mai endgültig für den Streckenstandort Papenburg entscheiden.

Vor Jahren am Boxberg hatten die Grünen noch an der Seite der kleinen Leute, der Winzer und Bauern, erfolgreich gegen eine Daimler-Teststrecke gefochten. Ausgerechnet eine rot-grüne Landesregierung will jetzt dem Automobil- und Rüstungskonzern Ersatz schaffen. Bei Papenburg kann das Mammut-Unternehmen mit seinen Testgeländeplänen jedoch kaum mit Bauern oder Winzern, sondern höchsten mit dem Torfabbau ins Gehege kommen. In einem größtenteils abgetorften Moor sollen das Beton-Oval von vierzehn Kilometern Umfang, die kleineren Strecken mit unterschiedlichen Straßenbelägen und ein paar Gebäude errichtet werden. Nach dem Abtorfen ist dort weithin eine braune, von Gräben durchzogene Fläche zurückgeblieben. Thea Dückert: „Eine richtige Mondlandschaft“.

Naturschützern, wie dem langjährigen niedersächsischen Bund-Vorsitzenden Konrad Buchwald, gilt das Gelände dennoch als ökologisch wertvoll: „Wenn man die Gräben zuschüttet und sich das Wasser wieder rückstaut, dann ensteht dort innerhalb von zwei Jahrzehnten erneut ein schutzwürdiges Hochmoor.“ Daimler Benz will dort sieben Millionen Kubikmeter Sand aufschütten, um erst einmal Baugrund für ein über die Landschaft erhabenes Test-Oval zu schaffen. Insgesamt 130 Hektar sollen auf dem Gelände zubetoniert oder überbaut werden.

Die rot-grüne Koalition will allerdings durch Auflagen erreichen, daß der Teststreckenbau am Ende zu einer „positiven ökologischen Gesamtbilanz“ führt. Die Ausgleichsmaßnahmen für Landschaftsverbrauch und Emissionen, über deren Umfang das Landeskabinett am Dienstag ebenfalls beschließen wird, sollen „bundesweit neue Maßstäbe“ setzen. „Für Ersatzmaßnahmen wird erstmals nicht der derzeitige Zustand eines Geländes, sondern sein ökologisches Potential — also der zukünftige, renaturierte Zustand — als Meßlatte gelten“, sagt Thea Dückert. So solle etwa Daimler-Benz eine vergleichbare Fläche, wie bei Papenburg überbaut werde, an anderer Stelle in Niedersachsen wieder in ihren natürlichen Zustand zurückversetzen und zudem noch 800 Hektar zu renaturierende Flächen erwerben. Zum Ausgleich für die vom Testgelände ausgehenden Lärm- und Schadstoffemissionen, die denen einer „schlecht befahrenen Kreisstraße“ entsprechen sollen, werde zudem zwischen Papenburg und Oldenburg ein bis zu 30.000 Hektar großes „zentrales niedersächsisches Moorschutzgebiet“ enstehen. Dieses ist zwar im Moorschutzprogramm der Landesregierung ohnehin vorgesehen, doch bisher fehlt es für Renaturierung und Flächenankauf am Gelde.

Auch der Sand, der auf dem Testgelände aufgeschüttet wird, soll nach den Vorstellungen der Grünen nicht einfach irgendwo abgebaut werden. „Hierfür kann man den beim geplanten Hafenbau in Emden anfallenden Sand verwenden, den man bisher in der Nordsee verspülen will“, sagt Thea Dückert. Darüberhinaus soll es für Abtorfrechte, die Daimler für die Strecke aufkaufen muß, keinen Ersatzabbau an anderer Stelle geben. Aus dem Verkauf des Geländes an Daimler soll das Land ein „Pilotprojekt öffentlicher Personennahverkehr“ im Nordwesten Niedersachsens finanzieren. Übrigens beschloß die Landesregierung, die Moorverwaltung, bislang Kind des Landwirtschaftsministeriums, dem Umweltministerium anzugliedern. „Schließlich muß das ganze Genehmigungsverfahren für die Teststrecke verbandsklagebeständig sein,“ sagt Thea Dückert mit Blick auf das Klagerecht, das Niedersachsen den Naturschutzverbänden demnächst einräumen will.

Die Rennstrecken-Kritiker vor Ort sind jedoch mit teuren Ausgleichsmaßnahmen nicht zufrieden. „Das Gerede von einer ökologisch sinnvollen Teststrecke ist eine typische CDU-Argumentation“, sagt etwa Hans Walker, Kreisvorsitzender der Grünen in Papenburg. Für ihn läßt sich die Entscheidung für die Strecke „nicht mit den programmatischen Grundlagen der Grünen vereinbaren“. Damit werde das jetzige Verkehrssystem, das Lärm und Abgase produziere und Landschaft verbrauche, zementiert und auch die Rüstungsproduktion gefördert. „Schließlich will Daimler hier auch Lastkraftwagen testen“, sagt Hans Walker, Mitglied der Interessengemeinschaft gegen die Teststrecke.

Vor dem grünen Landesparteitag nächste Woche in Papenburg will die Interessengemeinschaft Demonstrationen abhalten, „mit den Grünen vor Ort an der Spitze“. Hans Walker nennt es „einen saumäßig schlechten Stil, daß kurz vor der Landesdelegiertenkonferenz ein Kabinettsbeschluß gefaßt und der Landesverband vor vollendete Tatsachen gestellt wird“. Ihm und auch dem Naturschützer Buchwald gilt die grüne Fraktion inzwischen als „reiner Erfüllungsgehilfe der SPD“. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten sich SPD und Grüne noch auf den Formelkompromiß geinigt, den Bau der Teststrecke „nicht zu fördern“. Ende vergangenen Jahres hatte ein Grüner Parteitag dann den Verkauf des Moorgeländes abgelehnt, wollte aber „keine Koalitionsfrage“ daraus machen. In Papenburg steht wieder ein Antrag gegen die Strecke zur Abstimmung. Thea Dückert: „Wenn der eine Mehrheit findet, dann ist die Fraktion ziemlich ratlos.“