: Mit Glaubensstärke zum Sieg
■ In den letzten drei Minuten rissen die Münchner Bayern in bewährter Manier das fast schon verlorene Spiel beim Hamburger SV aus dem Feuer und gewannen noch mit 3:2
Hamburg (taz) — „Das Glück“, sprach der spitzmäusige Jupp Heynckes mit dem ihm eigenen glasigen Blick, „ist zum FC Bayern zurückgekehrt.“ Eine Referenz des Trainers an den unkalkulierbarsten, den interpretationsträchtigsten Faktor des Fußballspiels also, an die Unwägbarkeit von Spielzügen, an das „Wenn nicht gerade..., dann...“ Ja, wenn der smarte Stefan Reuter nicht in der letzten Spielminute im Hamburger Volksparkstadion so goldrichtig einen Kopfball von Manfred Bender aufgenommen und dann so ohne Gnade abgezogen hätte, dann wären die Münchner Bayern nicht als 3:2-Sieger vom Platz gegangen. Glück? Gar Glück im Quadrat, weil sie erst drei Minuten zuvor die Führung des Hamburger Sportvereins egalisiert hatten?
Entsetzen, Enttäuschung, ohnmächtige Wut umtrieb diejenigen unter den 61.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena, die gekommen waren, im „Spiel des Jahres“ für die Nordlichter die Lederhosen-Elf verlieren zu sehen. Es war schließlich auch so etwas wie die Nagelprobe für den HSV, den erfolgreichsten Verein des letzten halben Jahres, die Vorentscheidung, ob die Mannschaft reif für den Durchmarsch zur Meisterschale sei.
Und schließlich hofft jeder Anhänger eines jeden der 17 übrigen Bundesligavereine bei Münchner Gastspielen immer auf die Sensation eines historischen Heimsieges und befindet, so wie die gläubigsten der HSV-Fans, es sei so ungefähr die größte Ungerechtigkeit der Welt, daß den Bayern in den entscheidenden Momenten entscheidender Partien immer die entscheidenden Treffer gelingen. Niederlagen haben die Münchner dem allgemeinen Empfinden nach immer „verdient“, sozusagen als Strafe dafür, daß sie ihre Siege eigentlich nicht verdienen.
„Das ist nicht fair“, sprach blickleer denn auch einer auf der Tribüne im Volksparkstadion, einer der noch in der 77. Spielminute über Jan Furtoks Führungstreffer für die Hamburger gejubelt und einen elfminütigen Traum von der Meisterschaft geträumt hatte. Und die Angelegenheit mit dem notorischen FC-Glück wurde vom Moment des Abpfiffs an mannigfaltig in Worte gefaßt, inklusive der sehr philosophischen Frage: „Warum, zum Henker, schaffen die das immer?“
Wohl, weil es soviel mit Glück, Zufall also, gar nicht zu tun hat. Die Startruppe ist schlicht und ergreifend die beste Fußballelf des Landes, zumal eine, die nur in schwachen Momenten vergißt, daß es so ist. In Hamburg bewiesen sie Glaubensstärke. Der HSV war gut, zumal er mittlerweile selbstbewußt, mithin ansehnlicher und offensiver als zu Saisonbeginn spielt. Doch die Münchner waren besser. Spielerisch sowieso, entscheidend aber, weil ihnen nicht entging, daß ihre Gegner bereits vorzeitig gedanklich in der Umkleidekabine waren und die Korken knallen hörten. In solchen Momenten addiert die geschmähte Millionenelf ganz souverän Moral und Spielvermögen zu Torerfolgen. Und das ist dann der Unterschied zwischen einer UEFA-Cup-reifen Elf und einem Starensemble, für das nur zählt, ganz ganz oben zu stehen.
Zerstoben also der Wunsch von HSV-Präsident Jürgen Hunke, seinen Verein „einen Platz vor den Bayern“ zu sehen. Sicher, am Sonntag hätten die Hamburger die Münchner vom dritten Platz verdrängen können. Das allerdings wäre dann Glück gewesen. tak
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