Ökobauern holen Rinderrasse von der Samenbank

Am hessischen Vogelsberg fand die erste Öko-Argarmesse statt/ Schottische Highland-Cattles und Herfords auf dem Vormarsch  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Schluß mit der schwarz-weißen deutschen Einheitskuh auf hessischen Weiden: Seit Jahresfrist tummeln sich — ganz international — zottel- und kraushaarige Rinderrassen auf den saftigen Wiesen zwischen Odenwald und Hohem Meißner. Etwa das aus Schottland importierte rothaarige Highland-Cattle mit dem Fransenpony oder das Galloway Rind — eine hornlose und deshalb friedliebende Spezies mit schafsähnlichem Wollpelz. Auch das Deutsche Angus mit seinem hochwertigen Fleisch — ein Kilo Angus-Salami kostet 41 Mark — erfreut sich bei ZüchterInnen wachsender Beliebtheit.

Auf der ersten bundesweiten Öko- Agrar-Messe in Schotten am Vogelsberg wurden am Wochenende die saubergebürsteten Viecher familienweise vorgeführt: Bulle, Kuh und Kalb. In Massen drängten sich die BesucherInnen an den Gattern, hinter denen sich auch der Bundessieger der Highland-Cattel-Unterrasse „Lester“ — ein 1.000 Kilo schwerer Bulle — verschanzt hatte. Nicht nur die Kinder hatten Freude an den braven Herfords. Für die Rinderwirte ist diese Rasse nämlich der neuste Renner: „Ruhig im Umgang, ausgeprägter Mutterinstinkt, dominant hornlos, Qualitätsfleisch — und täglich hohe Gewichtszunahmen.“

Die wirtschaftliche Lage im strukturschwachen ländlichen Raum erfordere „neues Denken und Handeln“, sagte der Bürgermeister von Schotten zur Eröffnung der Messe. Und der neue hessische Landwirtschaftsminister Jörg Jordan (SPD) meinte, daß die Land- und Viehwirtschaft nur dann auf Dauer eine Zukunft habe, wenn sie umweltverträglich und tierschutzgerecht arbeite. In die hat auch der Nebenerwerbslandwirt Gerhard Petermann investiert. Der Jungbauer züchtet Highlands — und profitiert von der im Mutterland der Tiere grassierenden Rinderseuche. Die Kälber seiner zottelfelligen Hochlandrinder konnte Petermann bislang problemlos verkaufen, denn das Interesse an der Zucht der widerstandsfähigen Highlander wachse mit der sinkenden Bedeutung der Milchleistung.

Für die Highlander sprächen auch die geringen Investitionen. Einen Stall brauchte Petermann nicht zu bauen, denn die Schotten aus Schotten-Eschenrod können das ganze Jahr über auf der Weide bleiben. Und deshalb sei das Fleisch der Highlander auch von „ausgezeichneter Qualität“. „Die kriegen nur Gras und Heu zu fressen, haben ganzjährig Auslauf — und wenn geschlachtet wird, dann passiert das alles völlig streßfrei.“ Extensive Bewirtschaftung heißt das Zauberwort, das den vom Ruin bedrohten Bauern neue Chancen eröffnen soll. Verzichtet wird auf mineralische Dünger und Planzenschutzmittel — und die Tierhaltung wird nach der Öko-Formel eine Mutterkuh pro Hektar Fläche berechnet.

Die eigentlichen Stars der Öko- Agrar 91 kamen jedoch aus dem heimischen Vogelsberg. Vor 27 Jahren wurde dort das letzte Exemplar der Rasse Vogelsberger Höhnenvieh geschlachtet. Die rotbraune Spezies galt danach zwanzig Jahre lang als ausgestorben. Doch ein sentimentaler Veterinär hatte den Samen des letzten Bullen einfrieren lassen. Und der wurde vor sieben Jahren einer rotbraunen Normalkuh eingespritzt. Die auf den Erhalt der Artenvielfalt bedachten Öko-Jungbauern holten sich also eine Rinderrasse zurück aus der Tiefkühltruhe.

Daß auch auf der Öko Agrar Haribo die Kinder froh machen durfte, ein auf Trapper getrimmter Händler Pelze feilbot und an den Imbißständen Bratwürste mit Phosphat und uralten Semmeln verkauft wurden, paßte allerdings weniger ins schöne Bild der ersten Öko-Messe in Deutschland. Der Besucheransturm hat die Veranstalter der ersten Öko- Agrar-Messe überrascht. Viehwirt Petermann: „Ich bin sehr zufrieden, aber fertig mit den Nerven.“