piwik no script img

Zensur auf der Knastbriefseite?

■ Nachtrag zu einem Artikel vom 13.2.91 über Stefan Kungl

Am 13.2.91 war auf der Knastbriefseite der taz ein Brief abgedruckt, unterschrieben mit C.G./JVA Bruchsal. Dazu möchte ich heute die Fortsetzung schreiben; und in dem Zusammenhang eine Anmerkung dazu machen, wie Jan Harms von der taz- Knastbriefseite mit meinem ersten Brief umgegangen ist.

Zur Erinnerung: Ein Gefangener hier in Bruchsal, Stefan Kungl, ist nicht bereit, sich dem Willen der Anstaltsleitung (AL) zu unterwerfen, was unter anderem darauf hinausläuft, ehemalige Fluchtgefährten zu verraten. Die AL kündigt „Konsequenzen“ an: Diese bedeuten Vergeltungsvollzug in Reinform; der ist mittlerweile in Stammheim im siebten Stock angekommen. Dorthin wurde Stefan in einer Blitzaktion verlegt.

Schon in der Zeit davor wurde hier in Bruchsal verschärfte Isolationshaft angeordnet. Praktisch nur noch während dem Essenfassen konnte Stefan andere Gefangenen sehen. Selbst an den repressivsten Strafvollzugsgesetzen gemessen, ist das Willkür, es ist nicht begründet und insofern einzigartig in Bruchsal.

Bezeichnend dabei ist: Just in dem Augenblick, wo Stefan schriftliche Beschwerde gegen diese Behandlung einlegte, wurde ihm vormittags vor dem (ebenfalls abgetrennten) Arbeitsverweigererhofgang, eine halbe Stunde früher die Zelle aufgemacht, „als Ausgleich“ für den Einschluß nachmittags. Das ist zu einer Zeit, wo die Gefangenen auf Arbeit oder als Arbeitsverweigerer eingeschlossen sind. Diese Alibimaßnahme zeigt schon, daß sich die AL der Illegalität der Sonderbehandlung bewußt ist.

Auf unserer Abteilung fanden sich einige Gefangene zusammen, um solange Druck zu machen, „bis Schluß ist mit der ,Lex Kungl‘“. Ein Gefangener, der der Forderung noch mit Fußtritten gegen die „Zentrale“ Nachdruck verschaffte, verschwand bis am nächsten Morgen im Bunker. Stefan selber schlug von innen gegen die Zellentüre. Bevor der noch weitere Kreise ziehen konnte, wurde Stefan abends, wo alle Gefangenen eingeschlossen waren, heimlich nach Stammheim verschubt.

Von dort schreibt er in einem Brief an uns: „Der Perversion nicht genug, wurde ich am Dienstag aus der (Zelle) 722 („normale Höhle“) in die 721 (“te-Höhle“) verbracht. Klar, es muß ja alles recht gefährlich gemacht werden, wie stünden sie wohl in der Öffentlichkeit da, wenn herauskäme, daß nichts war. Aber die Spielchen treiben sie nicht nur bei mir, sondern waren viele Jahre lang Gang und Gäbe. Und heute drangsaliert man die „normalen“ Gefangenen in diesen Todestrakten, seit keine Gefangenen nach 129a mehr hier einsitzen. Geändert hat sich nichts — wie könnte es auch bei dieser Justiz. Was einmal steht, steht für alle Ewigkeit! Diese Aktion muß genauso publik werden wie zuvor (teilweise) schon im Leserbrief geschehen. Schonen darf man die Menschenächter nicht — sie müssen in aller Öffentlichkeit angeprangert werden.“

So sieht's also jetzt aus. In diesem Zusammenhang nun eine Anmerkung wie die taz-Knastbriefseite mit meinem ersten Brief umgegangen ist: Er war „gekürzt und umformuliert“ — ebenfalls am 13.3. erreichte mich zusammen mit der taz eine Karte von Jan Harms, wo er schreibt, daß er „das nötig fand“. Ich finde es allerdings einen überheblichen Umgang mit Gefangenenpost. Meines Wissens wird so nicht mit Schreibern von draußen umgegangen. Als „Nur-Gefangene“ sollen wir wohl noch dafür dankbar sein, daß uns ein Oberlehrer unter die Arme greift, oder wie?

Das ganze hat um so bitterer geschmeckt, als daß entscheidende Stellen rausfallen.

1. Die Vorgeschichte und die Stufenleiter der repressiven Haftbedingungen, die Stefan in den letzten Jahren durchlaufen hat. Zum „Regelvollzug“ gehören Isolation, Absonderung, Trakte..., wie die Nacht zum Tage. „Normal/Vollzug“ ist darin, was die Justiz dafür erklärt.

2.Wie die medizinische Versorgung, die bei Stefan unter anderem aufgrund von einem Oberschenkelhalsbruch angesagt ist, unterlassen und Verletzung/Krankheit direkt gegen ihn gewandt wird (nach dem Motto: wer hinkt kann nicht mehr flüchten).

Isolationshaft und medizinische Versorgung war bei allen Gefangenenrevolten letztes Jahr Thema. Wenigstens diesmal ist vollständiger Abdruck also angesagt; das erleichtert Solidarisierung. Die Gründe, aus denen heraus letztes Jahr Dächer und Höfe in vielen Knästen Deutschlands besetzt wurden, sind immer noch aktuell. Durch Repression und Manipulation werden sie nicht beseitigt. Mit heißen Grüßen an Stefan Karl Grosser,

JVA Schwalmstadt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen