: Billy Moffet's Playboy Club
■ Alles erstunken und erlogen
Billy Moffet's Playboy Club lügt. Auf dem Cover der zweiten LP »Milk« befinden sich 21 blaue und 23 gelb-rote Seepferdchen, trotzdem rekrutiert sich der Bandname aus irgendeiner nicht mal mehr existenten Bremerhavener Spelunke, Moffet gibt's im Englischen nicht und Seepferdchen heißt seahorse, was so dämlich ist, daß es nicht in einem einzigen Stück dieser wunderbaren Platte vorkommt.
Außerdem handelt es sich bei diesen Playboys offensichtlich um in zweifelhafter Form untereinander verwandtschaftlich verbundene Ausländer, geboren unter noch zweifelhafteren Umständen entweder in einem Bordell in Macao oder einer Missionsstation auf Borneo etc., aber erstens besteht Billy Moffet's Playboy Club aus drei Jungens und einem Mädchen (was kein Playboy sein kann) und zweitens haben alle Playboys niemals Verwandte, sondern sind einsam und reich, und das wiederum ist die Moffet's-Familie nicht, sonst würden sie nicht Musik machen, die so zufrieden und durchgeknallt und idiotisch-schrill-comixig klingt wie das, was mit der philosophisch durchaus noch diskutierbaren Einführung in das Wesen der Milch beginnt und sich in ungereimten Feststellungen wie »Uh, I am the cock ... Yeah, this is Rock'n'Roll« manifestiert.
Ansonsten sind alle anderen Märchen, die in vorschriftlichem Filigransatz auf dem Inlet niedergelegt wurden, ebenfalls erstunken und erlogen, weil nie und nimmer ein Haufen philippinischer Zwerge chorgesungen hat, genausowenig wie irgendetwas in einem Einkaufscenter in Bombay aufgenommen wurde oder das Rückwärtslaufenlassen der »Reprise« satanische Nachrichten ergibt. So leger die vier mit der Wahrheit umgehen, so lässig verschmieden sie allerdings auch Trunkenboldmelodien, Sphärenklänge anderer Dimensionen und Schunkelrhythmen miteinander, vergießen sie musikalische Krokodilstränen und grüßen Dieter Bohlen dafür.
Sollte Tom Waits jemals auf die Idee kommen, mitten in eine Karnevalsveranstaltung betrunkener Seebären zu platzen und traurig-bissige Balladen zwecks Verführung minderjähriger Hafenhurenkegel zum Besten zu geben, dürfte das Ergebnis deckungsgleich sein mit der Darbietung der Partylöwen des Billy Moffet's Playboy Clubs (nur daß Tom Waits einfach besser singen kann ...). Augenklappe nicht vergessen! Erika
Um 21 Uhr im Osten
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