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Pfui! Moskau ignoriert deutsche Baufirmen

■ Nach dem Motto „Wer zahlt, schafft an“ sollen in der Sowjetunion deutsche Baufirmen für deutsches Geld Soldatenwohnungen errichten/ Moskau hat — vorerst — allerdings anders entschieden

Berlin (taz) — Der empörte deutsche Aufschrei konnte in Moskau selbst bei geschlossenem Fenster wahrgenommen werden. Das selten einhellige Entsetzen der Bundesregierung, der Opposition, der Bauindustrie wie der Gewerkschaft galt der sowjetischen Ankündigung, mit dem Bau der ersten 3.000 von insgesamt 36.000 Wohnungen für zurückkehrende Sowjetsoldaten nicht deutsche Firmen zu beauftragen, obwohl das Projekt von der Bundesrepublik voll finanziert wird. Nach einer internationalen Ausschreibung des rund 7,8 Milliarden Mark schweren Wohnungsbauprogramms haben sich die Moskauer für türkische und finnische Anbieter entschieden. Das türkische Angebot für den ersten Bauabschnitt soll um 100 Millionen Mark unter dem deutschen gelegen haben.

Jetzt will die Bundesregierung das vereinbarte Wohnungsprogramm notfalls ganz platzen lassen, wenn deutsche Unternehmen nicht angemessen beteiligt werden, kündigte am Mittwoch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Klaus Beckmann (FDP), an. Er konnte seine Verblüffung über die Moskauer kaum verhehlen. Man habe ihnen doch „mehrfach klargemacht“, daß Bonn „größtes Interesse“ an dem Auftrag hege. Im Vertrauen darauf, sich klar genug ausgedrückt zu haben, war im Vertrag mit der UdSSR keine genaue deutsche Beteiligung am Bauprojekt festgelegt worden.

Mit ihrem Wunsch nach internationaler Ausschreibung habe sich Bonn „zum guten Teil selbst“ in die schwierige Lage gebracht, empört sich der Präsident des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie, Hermann Becker. In ungewöhnlicher Eintracht haut der zweite Vorsitzende der IG Bau, Bruno Köbele, in die gleiche Kerbe: Bonn hätte gegenüber Moskau sorgfältiger die deutschen Interessen berücksichtigen müssen. Es sei nicht einzusehen, warum die Qualitätsarbeit deutscher Bauarbeiter nicht zum Zuge kommen solle. Der bewährte Grundsatz „der Billigste ist nicht immer der Beste“ dürfe jetzt nicht vergessen werden. Besonders große Enttäuschung herrsche bei den ostdeutschen Bauarbeitern. Überhaupt gilt ein Teil offizieller Empörung angeblich der Vernachlässigung ostdeutscher Bauunternehmen, die laut 'Spiegel‘ allerdings höchstens als Subunternehmen für westdeutsche Konzerne akzeptiert worden wären.

„Völlig unverständlich“ ist auch dem SPD-Wirtschaftsexperten Wolfgang Roth, wie sich die Bundesregierung in Moskau auf solch vage Absprachen einlassen konnte. Mit deutschem Geld führten nun ausländische Billiganbieter in der UdSSR Bauaufträge aus, während im Inland für deutsche Arbeiter Arbeitslosengeld gezahlt würde. Um ganz sicher zu gehen, daß bei neuen Verhandlungen mit Moskau die deutschen Interessen durchgesetzt werden, erwartet der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Matthias Wissmann, daß die Gespräche „jetzt nicht Fachgremien überlassen“ werden.

Für weitere Verhandlungen mit der UdSSR wird nun vermutlich ein Lenkungsausschuß als Schlichtungsgremium angerufen werden. Deutsche „Gegenvorschläge“ zur sowjetischen Entscheidung liegen schon auf dem Tisch. bg

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