Denkmodell statt Denkmal

■ Zum Wiederaufbauplan der Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel am Marx-Engels-Platz

Unser Berlin noch schneller voran im neuen Kurs« — was im Jahr 1956 noch als Motto des damaligen DDR-Chefarchitekten Henselmann galt, treibt heutzutage unter veränderten politischen Vorzeichen erneut zum radikalen Vorhaben, das Zentrum der Regierung des alten Regimes zu dekonstruieren — durch Rekonstruieren. Wiederauferstehung der kaiserzeitlichen Baustruktur herbeizuwünschen heißt rückwärts träumen.

Nachdem Freunde des Berliner Schlosses einen Verein gegründet haben, der seine Wiedererrichtung zum Ziel hat, sind nun auch Freunde der 1962 abgerissenen Bauakademie mit ähnlichen Intentionen an die Öffentlichkeit getreten. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins, der sich für die Rekonstruktion des Gebäudes nach Karl Friedrich Schinkels ursprünglichen Plänen einsetzt, zählen neben anderen der Direktor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, die Kunsthistoriker Winfried Baer und Günter Schade sowie der CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns. Auch Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer schlug neulich in einem Zeitungsinterview einen Wiederaufbau vor. Zweifellos war der in den Jahren 1831 bis 1836 entstandene Bau richtungsweisend für die moderne Architektur. Das legitimiert aber beileibe keine Rekonstruktion des Zerstörten in historisch völlig veränderter Umgebung.

Die ersten Fünfjahrespläne des Berliner Magistrats von 1951 und 1956 enthalten Listen des Referats Denkmalpflege, die eine Übersicht der vorhandenen Kulturdenkmäler im »demokratischen Sektor von Groß-Berlin« geben, unter ihnen auch die Bauakademie. Bis 1956 wurden mehrere hunderttausend Mark in Sicherungs- und Instandsetzungsarbeiten gesteckt. Geplant war ihre Wiederherstellung als Akademiegebäude. Mit den Plänen zur Schaffung eines Platzes für zentrale Kundgebungen und der damit einhergehenden Sprengung der Schloßruine wurde die Finanzierung des denkmalgeschützten Gebäudes eingestellt.

Im Jahr 1962 wurde es dann abgerissen und an seiner Stelle das DDR- Außenministerium errichtet. Viele Einzelteile der Terrakotta-Dekoration landeten in verschiedenen Berliner Museen. Damit darf die unnötige Zerstörung des Schinkelbaus als Symbol für die Abrißwut von Stadtplanern gelten, die willkürlich alte Bausubstanz entfernten, welche nicht ins Konzept eines sozialistischen Zentrums paßten. Der Abriß des ehemaligen Außenministeriums oder des Palastes der Republik wären demnach Wiederholungstaten. Geschichte aber läßt sich nicht abmontieren. Repräsentanten preußischer Baupolitik ersetzen Zeichen der aufgelösten DDR nicht.

Schinkels Bau stünde — um 160 Jahre versetzt — als Solitär in einem Umfeld, das kaum noch mit der baulichen Situation der 1830er Jahre vergleichbar ist. Durch Rekonstruktion romantische Déjà-vu-Erlebnisse zu wecken hat nichts mit Geschichtsbewußtsein zu tun. Konservative Sehnsüchte führen nur zu peinlichen Anachronismen: Schinkels Planung orientierte sich stark am historischen Umfeld. Kubische Form und Flachdach mit bekrönender Balustrade entsprachen beispielsweise dem Zeughaus, Geschoßzahl und Achsenaufteilung dem gegenüberliegenden Stadtschloß, Dreigliederung der Fenster und Terrakotta-Reliefs der vorher als Bauakademie dienenden Münze von Heinrich Genz am Werderschen Markt. Das Material Blendziegel korrespondierte mit den Schinkelbauten Friedrich-Werdersche Kirche und Packhof. Politisch aufgeladen, repräsentierten Material und Konstruktivität des Baus den Entwicklungsstand des preußischen Baugewerbes und die Modernität der Technik.

Bevor es zu ernsthaften Wiederaufbaukonzepten kommt, sollte der neugegründete Interessenverein mehr Mut zur Moderne der heutigen wie der Nachkriegsarchitektur beweisen. Eine Dokumentation der Bauakademie anhand von Fotos, die zur Zeit die Ausstellung Nicht mehr vorhandene Bauten Karl Friedrich Schinkels in der Werderschen Kirche zeigt, steht noch aus. Geschichtsbewußtsein bewiese sich nicht am Wiederaufbau des Denkmals, sondern an einer Dokumentation als Denkmodell. Marita Bermes