: Im Kittchen ist ein Zimmer frei
■ Obwohl im Westteil die Gefängnisse nicht voll sind, sollen Ostanstalten wieder eröffnet werden/ Bündnis 90/Grüne fordern Abrißbirne für Stasi-Knäste und Umstrukturierung der Westberliner Knäste
Berlin. Seit Dezember vorigen Jahres sind die fünf Ostberliner Gefängnisse geschlossen. Die letzten 360 Gefangenen wurden nach West-Berlin verlegt, seitdem bewachen 237 Justizbeamte die leeren Geisterhäuser und drehen Däumchen. Die Gefängnisse sollen auch weiter dicht bleiben, forderte gestern der Abgeordnete Albert Eckert vom Bündnis 90/Grüne im Rathaus Schöneberg.
Die Kriminalitätsrate im Ostteil sei weniger steil angestiegen als erwartet und die Westberliner Anstalten seit Jahren »chronisch unterbelegt«. Dafür sei der Personalstand im Vergleich zu westdeutschen Gefängnissen »spektakulär hoch« — und damit wären die Pläne der Justizverwaltung, das ehemalige Frauengefängnis Köpenick sowie die Stasi- Knäste Hohenschönhausen, Pankow und Lichtenberg wieder in Betrieb zu nehmen, unnötig und herausgeschmissenes Geld. An diese »Orte des Grauens« wieder Menschen einzusperren, ist nach Eckerts Meinung eine »geschichtslose Barbarei« sowie »geschmacklos und zynisch«. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne sowie die vier Abgeordneten der Gruppe Neues Forum/ Bürgerbewegung schlagen statt dessen vor, die Stasi- Terrorzentrale Hohenschönhausen mit ihren unterirdischen Zellen für ein Museum/Gedenkstätte sowie ein Stasi-Strafvollzugsarchiv zu nutzen. Zur Not könnte ein Teil des riesigen Stasi-Komplexes in Büros umgewandelt werden. Die Umbauten hierfür, wären billiger als eine neuerliche Vollzugsnutzung, sagte Eckert. Für die Stasi-Knäste Pankow und Lichtenberg schlagen die Abgeordneten, um die Rückfälligkeitsrate zu senken, Ungewöhnliches vor. Die Gebäude sollten von Freigängern zu Wohnungen von Haftentlassenen umgebaut werden.
Für die restlichen Gefängnisse forderte Eckert die Abrißbirne. Der uralte, restlos verbaute Rummelsburger Knast sei schlicht menschenunwürdig und das ehemalige DDR- Vorzeigegefängnis, die Frauenvollzugsanstalt in Köpenick, überflüssig. Statt den Plattenbau für 20 bis 30 Millionen Mark zu sanieren und ihn für den offenen Strafvollzug für 300 Männer zu nutzen, sollte er abgerissen werden, forderte Eckert. Die oppositionellen Abgeordneten wollen in der nächsten Woche einen Antrag in das Parlament einbringen, durch eine Umstrukturierung der Westberliner Gefängnisse, insbesondere der Untersuchungshaftanstalt Moabit, mehr Platz zu schaffen und auf die Wiederinbetriebnahme Ostberliner Anstalten zu verzichten. Externe Betreuungseinrichtungen sollten hingegen gefördert werden. aku
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen