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Abseits der Route Nationale

■ Ein Plädoyer für den Camping Municipal

Ein Plädoyer für den Camping Municipal

VON JÜRGEN BISCHOFF

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ie das Baguette, der Käse und der Rotwein, so gehört der Camping Municipal zu Frankreich, zu „Douce France“, dem ländlichen Frankreich.

Abseits der Straßen hat fast jedes Dorf und jede mittelgroße Stadt einen städtischen Campingplatz, meist am Wasser gelegen und oft genug selbst in der Hauptsaison mit ausreichendem Platz für Durchreisende oder diejenigen, die bereit sind, sich auf die unspektakuläre Provinz einzulassen. Eine grüne Fläche unter Bäumen, einige vereinzelte Wohnwagen, verschlossen in der Erwartung ihrer Besitzer, die am Wochenende zum Picknick und zum Angeln kommen.

Aber da sind auch die privaten Campingplätze in den Touristenhochburgen, die sich nicht nur von der Gebührenseite her von den staatlichen unterscheiden. So zum Beispiel in Vallon Pont d'Arc: Wer aus dem Rhônetal die Corniche entlang der Ardêche-Schlucht fährt, wird schon weit vor dem Ort von zig flatternden Fahnen verschiedener europäischer Staaten empfangen. Mit großem Klimbim aus Werbetransparenten und weithin sichtbaren vier Sternen buhlen mehrere private Campingplätze um die Kunden.

Tennisplatz inklusive, „au bord de l'eau“, die Standplätze für Caravans und Campingbusse schön exakt geometrisch aneinandergereiht und abgetrennt von jämmerlichen, junggepflanzten Obstbäumen. Die Versorgung ist perfektioniert: Der Pizzanese betreibt das Campingplatz-Restaurant, wo sich am Abend die „Bewohner“ des Platzes lautstark volllaufen lassen.

Der „Camping Municipal“ liegt auf der anderen Seite des Flusses. Er hat nur zwei Sterne, aber trotzdem warme Duschen. Der Tennisplatz fehlt, aber dafür gehört zur Anlage der lokale Fußballplatz, auf dem — wenn nicht gerade Wochenende ist und ein Meisterschaftsspiel mitsamt den Schlachtenbummlern aus den umliegenden Dörfern angesetzt ist — die örtliche Jugend vor sich hinkickt und auch den einen oder anderen Gast mitspielen läßt.

Nein, der Rasen des Camping Municipal ist nicht frisch gemäht. Der Gast muß sich statt dessen mit langem, tiefem und damit auch weichem Gras unter alten, hochgewachsenen Bäumen zufriedengeben. Menschenhohe Hecken trennen die Parzellen voneinander ab und begrenzen auch den Platz zum Fluß hin. Insgesamt bezahlt man hier zu zweit etwa 50 Francs pro Nacht und Stellplatz.

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in Sprung an die Atlantikküste: Biscarosse-Plage ist zehn Monate im Jahr ein ödes Kaff zwischen Sanddünen und unendlichen Kiefernwäldern. Erst gegen Ende Juni erwacht das Leben. Wer von den Touristen nicht gerade ein Ferienhaus gebucht hat, kommt auf den beiden städtischen Campingplätzen unter. Der eine liegt am Nordausgang des Dorfes, nicht weit vom Atlantikstrand; der andere, größere, am Ostausgang.

2.000 Stellplätze für Zelt und Wohnwagen bietet allein dieser Platz. Doch diese Zahl klingt schlimmer als sie ist. In dem weitläufigen Gelände in einem lichten Kiefernwald verlieren sich die Fans des Freilufthotels. Ende Juni, zum Beginn der Sommerferien, wird allerorten an den Gaststätten unmittelbar am Campingplatz noch gehämmert. Ein neuer Patron hat das Restaurant übernommen, der andere macht schon längst beste Geschäfte mit DAB vom Faß für die Deutschen, die hier das Bild bestimmen.

Im Dorfzentrum wird der Fußgängerzone noch der letzte Schliff gegeben, und die Immobilienmakler bereiten sich auf die Kundschaft vor, die nach Jahren unter imprägnierter Baumwolle sich vielleicht demnächst ein festes Dach über dem Kopf leisten kann.

Natürlich gibt es auch zu den beiden Camping Municipals von Biscarosse- Plage Alternativen. Aber die liegen 20 Kilometer weiter nördlich, gleich hinter der großen Düne von Pyla, und lassen sich ihren Swimmingpool und den obligatorischen europäischen Fahnenschmuck mitbezahlen. Die Toilette wird auch hier spätestens nach einer Stunde wieder vollgeschaufelt sein von Sand und Kiefernnadeln.

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nd da war da noch der Camping Municipal in Chinon an der Vienne: Angegliedert ans städtischen Freibad und unmittelbar am Ufer, bietet er den besten Blick auf die mittelalterlichen Burgruinen, auf der Jeanne d'Arc ihren König aus der feigen Anonymität herauslockte und ihn zum Kampf gegen die Engländer aufstachelte. In der Dämmerung wurde das Zelt aufgebaut. Frösche quakten in den Entwässerungsgräben entlang des Weges, und Grillen gaben ihr nächtliches Geräusch von sich, als wir uns mit hungrigem Magen noch einmal zu Fuß aufmachten, um ein Croque Monsieur zu ergattern. Es blieb bei zwei Pastis, denn der Wirt im einzigen Bistro an der Route Nationale wollte um halb neun Feierabend machen.

Villevallier, ein Straßendorf an der Nationale 6, die hier zum Glück schon um das Dorf herumgeführt wird. Tag und Nacht rauschen hier die Routiers mit ihren Camions vorbei. Nicht alle haben sich auf die Autobahn ableiten lassen. Dafür lassen sich nur noch wenige Touristen auf das Abenteuer der französischen Landstraßen ein: kleine Bars mit zwei Tischen unter Sonnenschirmen oder auch nicht, einige kleine Ein- oder Zwei-Sterne-Hotels, das Doppelzimmer für 130 Francs, und immer wieder das Zeichen am Straßenrand mit dem symbolischen Zelt, 800 Meter zur Linken, 1.500 Meter zur Rechten. In Vallevallier geht's rechts ab durch ein hellgraues, verschlafenes burgundisches Dorf zu einer Brücke über die Yonne. Im Schatten der Brücke und eines Pappelhains der Camping Municipal mit Umkleidekabinen für das Strandbad.

Am 14. Juli wird das Gelände mitgenutzt für Grill und Getränkestand im Rahmen der allgemeinen Volksbelustigung. Madame, mit Lockenwicklern und im bunten Kittel, putzt im alten blauweißen „Caravelle“-Campingwagen das Gemüse, das sie kurz vorher mit dem Korb unter dem Arm beim örtlichen Krämer eingekauft hat. Monsieur, im weinroten Pullover mit V-Ausschnitt, darunter ein Flanell-Arbeitshemd, hockt am Wasser und angelt den Fisch für den dritten Gang. Heute nachmittag kommen vielleicht noch Tochter und Schwiegersohn zusammen mit den Enkelkindern zum „pique-nique“.

Da war der Platz an der Aisne, kurz vor Reims, eine Mückenfalle, und der in Péronne, in Savonnières vor den Toren von Tours an einem Seitenarm der Loire, einer irgendwo in Lothringen.

Sie alle hatten gemein: ein Dach in der frischen Luft und ein Frühstück in der Sonne, entweder selbst gemacht oder im örtlichen Bistro, während die Dorfbewohner langsam ihre alltäglichen Tätigkeiten aufnahmen. Willkommene Etappen auf dem Weg zwischen großen Städten, und immer wieder war es das Bedauern, daß man sich ein weiterliegendes Ziel genommen hatte und sich nicht hier einfach in das Landleben fallenlassen konnte.

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ie Autoroute in Frankreich verbietet sich für mich nicht einfach nur aus Kostengründen. Die Nationale oder sogar die Départementale muß es sein und abends das Abenteuer des x-beliebigen Camping Municipal. Die Campingplatzketten, die in Frankreich nach dem Muster der Hotelketten inzwischen im Entstehen sind („Hotel Plein-Air“ und dergleichen) können mir gestohlen bleiben.

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