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Wer könnte Dagobert Duck zum D-Mark-Kauf zwingen?

Wie die Notenbanken versuchen, „ihre“ jeweilige Währung wertstabil zu machen/ Die Europäische Zentralbank sitzt bereits in Frankfurt am Main  ■ Von Katrin Schröder

Eine Ecu, die so stabil ist wie ein Meter, ist sicherlich wünschenswert. Doch eine europäische Währungsbehörde, die souverän über das Geldvolumen und damit die Stabilität einer Währung entscheidet, kann es nicht geben. Denn das Geldvolumen bildet sich in einem recht komplizierten Prozeß zwischen Vermögenseigentümern (das sind die, die wirklich was auf Tasche haben), Zentralbanken (das sind die, die das staatliche Monopol zum Gelddrucken haben), Geschäftsbanken (das sind die, die Geld verleihen, auf der anderen Seite ihrer Bilanz aber selbst nichts als Schulden haben) und den potentiellen Investoren (das sind die, denen momentan soviel Zurückhaltung nachgesagt wird). Die Zentralbank, die autonom das Geldvolumen festsetzt, gibt es nur in der neoklassischen Theorie. Und hier mag der Hinweis genügen, daß bisher alle Friedmans und Thatchers ihre Geldmengenziele verfehlt haben.

Die Bundesrepublik fordert bei der Schaffung einer europäischen Einheitswährung die Errichtung einer unabhängigen Zentralbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank. Doch so eine europäische Zentralbank will gut überlegt sein. Solange sich die meisten Staaten der Europäischen Gemeinschaft keine Zentralbank vorstellen können, die nicht der übergeordneten „Verantwortung“ gewählter Regierungen untersteht, hat Bundesbankpräsident Karl-Otto Pöhl Recht mit seinen grundsätzlichen Bedenken. Denn es bestünde die Gefahr, daß die Ecu als europäische Einheitswährung zentimeterweise an Wert verlieren und irgendwann nur noch 0,8 Meter messen könnte.

Die Euro-Zentralbank brauche mehr als „nur“ die Kompetenzen nationaler Notenbanken, lautet ein gängiges Argument in der Auseinandersetzung. Denn auch diese könnten keineswegs für eine stabile Währung bürgen, das sehe man schon an der Inflation weltweit. Betrachtet man allerdings die Inflation weltweit, so gibt es anscheinend einige Zentralbanken, denen es durchaus gelingt, eine stabile Währung herzustellen. Anderen Notenbanken wiederum scheint nichts weniger zu gelingen. Nicht einmal Währungsreformen — wie in Argentinien oder Brasilien — nimmt ihnen jemand ab.

Souverän also sind die Notenbanken nicht und offensichtlich auch nur mehr oder weniger geschickt bei der Bedienung der Notenpresse. Eine Notenbank kann ihr Geld niemandem aufdrücken. Den Geschäftsbanken nicht, wenn die Kreditvergabe durch die Banken nicht läuft, weil die Ertragserwartungen so schlecht sind, daß sich niemand für einen Vorschuß in Produktivkapital verschuldet — oder einfacher: Niemand wird so blöd sein, sich für zehn Prozent einen Kredit zu holen, um damit ein Unternehmen aufzubauen, bei dem er fünf Prozent Profit erwartet.

Reichen Privatleuten können die Notenbanker ihr Geld auch nicht aufdrücken, wenn diese lieber eine Immobilie wollen oder anderes Geld. Dagobert Duck hat sich für Gold entschieden, er ist eben ein bißchen konservativ und traut wohl deshalb keiner nationalen Notenbank. Es gibt aber auch andere, die in Dollar, D- Mark, Yen oder Schweizer Franken schwimmen, einige halten auch noch was von der Währung des ehemaligen Empire und sammeln britische Pfund. Aber warum will keiner in mexikanischen Pesos baden?

Verkürzt gesagt kann eine Notenbank das Vertrauen in ihre Währung nur dann herstellen, wenn es ihr gelingt, das eigene Geld knapp und wertstabil zu halten. Intern muß sie also die Inflation bekämpfen, um nach außen den Wechselkurs stabil zu halten. Die Bundesrepublik tut dies zum einen über aggressive Exportstrategien, zum anderen über die Bundesbank, die immer bereit ist, auf Kosten von Arbeitslosigkeit die Währung mit einer Erhöhung des Diskontsatzes zu verteidigen.

Die Kompetenzen der einzelnen nationalen Notenbanken sind durchaus nicht gleich. Während die anderen Zentralbanken in der EG ihrer Regierung verpflichtet sind, hat die Deutsche Bundesbank nur eine Aufgabe: den Außenwert der Währung zu sichern. Und das hat sie konsequent getan, egal wie die Beschäftigung aussah, egal was dies für Konsequenzen für die anderen Währungen im EWS hatte.

Nur einmal hat die Bundesbank das nicht gemacht, und da ging's um die Brüder und Schwestern. Da hat sich Pöhl von der Politik zurückpfeifen lassen und konstatiert jetzt, daß das, was von vornherein ökonomisch falsch war, sich auch tatsächlich als Desaster entpuppt. Ökonomisch kann man dem nur entgegenhalten, daß es ohne Währungsunion auch ein Desaster geworden wäre. Denn die Umstrukturierung in der ehemaligen DDR war die von einer Plan- in eine Geldwirtschaft (nicht in eine Marktwirtschaft).

Die Mark der DDR war nie eine Währung im Sinne von Geldwirtschaften, sie erfüllte aber gewisse Geldfunktionen, die sie aber mit der Maueröffnung verlor, allerspätestens als die Arbeiterinnen und Bauern ihren Lohn nicht mehr in DDR- Mark haben wollten.

Es gab also nur die Wahl zwischen zwei desaströsen Alternativen: Entweder den kleineren deutschen Staat ohne funktionsfähige Währung und ohne Mauer zum größeren deutschen Staat, in den die arbeits-, wohnungs- und gebrauchtwagensuchenden Ostler drängten — oder eine unüberlegte Währungsunion. Die Entwicklung in Polen — Umstellung von Plan- auf Geldwirtschaft mit dem Zloty als Währung — wird ja nur deshalb in der Bundesrepublik nicht als Desaster empfunden, weil die polnischen BürgerInnen hier keine Arbeitserlaubnis erhalten, es den Bundesbürgern also am Arsch vorbeigeht, daß die polnischen Reallöhne zum großen Teil unter dem Existenzminimum liegen.

Man kann die Warnungen des obersten bundesdeutschen Währungshüters vor der schnellen europäischen Währungsunion aber auch anders verstehen. Eine europäische Zentralbank gibt es bereits: Seit Jahren übernimmt die Deutsche Bundesbank genau diese Funktion und diktiert ihre Politik den Notenbanken der anderen Mitgliedstaaten. Eine europäische Zentralbank hätte in diesem Sinne einfach den „Nachteil“, daß die anderen EG-Notenbanker dann auch in der Währungspolitik mitreden dürften.

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