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Der Bundeskanzler als Baulobbyist

Helmut Kohl will sich persönlich in Moskau dafür einsetzen, daß deutsche Firmen die Wohnungen für heimkehrende Sowjetsoldaten bauen dürfen/ Möllemann weist die Kritik an Ministerien zurück  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) gab sich gestern in Berlin ganz cool. Noch sei gar nicht entschieden, daß die ersten 3.000 Wohnungen für zurückkehrende Sowjetsoldaten von einem finnisch-türkischen Baukonsortium errichtet werden. Schließlich habe bloß „eine untergeordnete sowjetische Stelle“ vorgeschlagen, diesem Billiganbieter den Zuschlag für das 800-Millionen-Mark-Projekt zu geben, das aus dem Bundeshaushalt bezahlt wird. Insgesamt will Bonn bis 1994 7,8 Milliarden Mark für 36.000 Soldatenwohnungen zahlen.

Daß nun nicht die deutsche Bauindustrie, sondern ausländische Firmen von den Bonner Milliarden profitieren sollen, war an Himmelfahrt von SPD- und CDU-Politikern kritisiert worden, wogegen sich Möllemann gestern auf das heftigste wehrte. Zwar habe das Finanzministerium versäumt, in den Überleitungsvertrag für den Abzug der Roten Armee aus der ehemaligen DDR hineinzuschreiben, daß deutsche Firmen ein großes Stück vom Milliardenkuchen abbekommen. Doch habe es nachträgliche Vereinbarungen gegeben, in denen die Auszahlung des Geldes an die Zustimmung des Bundes geknüpft wird. Beim Wirtschaftsministerium gab man sich zuversichtlich, die Sowjets auch auf dem kleinen Dienstwege umstimmen zu können.

Dabei hat die sowjetische Seite eigentlich nur Kenntnisse in freier Marktwirtschaft bewiesen, indem sie den billigsten Bieter favorisiert. Möglicherweise hatte man in Moskau aber auch schlicht und einfach die Nase voll von ostdeutschen und westdeutschen Baulobbyisten, die sich seit Unterzeichnung des Überleitungsvertrages am 9.Oktober 1990 gegenseitig auszustechen versuchten. Im Dezember nämlich schien der Auftrag für vier von insgesamt 35 Baulosen schon unter Dach und Fach zu sein. Hatte doch der letzte Bauminister der DDR seine alten Kontakte nach Moskau genutzt, den Auftrag den alten VEB-Genossen zuzuschanzen. Ex-Minister Axel Viehweger ist zwischenzeitlich zum Geschäftsführer der Bremer Consultingfirma Kracon avanciert, die Bewerbung der VEB in Moskau war einer seiner ersten Beratungsaufträge.

Diese „freie Auftragsvergabe der Sowjets“ wollte jedoch das Wirtschaftsministerium nicht mitmachen, so Sprecher Volker Franzen. Selten hat das Ministerium nach Aussagen von Mitarbeitern so „peinlich darauf geachtet, alles nach Recht und Gesetz zu machen, wie bei diesem.“ Der Auftrag wurde daraufhin öffentlich und international ausgeschrieben, in Westdeutschland freuten sich Konzerne wie Philipp Holzmann, Hochtief und Süba auf Teile vom 7,8-Milliarden-Volumen. Und meldeten sich freiwillig zur Mitarbeit in einer Arbeitsgemeinschaft Wohnungsbau (Arge Wobau), welche die Ausschreibungsunterlagen auf internationales Niveau brachte.

Daß die Bauindustrie die Ausschreibung selbst vorbereitet hat, auf die sich die Frimen dann einzeln wieder bewarben, fand im Wirtschaftsministerium niemand bedenklich. Die entsprechenden Abteilungen seien einfach zu klein, um einen so großen und komplexen Auftrag abzuwickeln, hieß es. Die Ostlobbyisten nutzten die Zusammensetzung der Arge Wobau zu heftiger Kritik: Die Westler wollten sich so nur die lästige neue Ostkonkurrenz vom Hals schaffen.

Nach etlichen Diskussionen in diversen Hinterzimmern befand sich schließlich unter den deutschen Bewerbern, die in die engere Wahl kamen, auch ein reines Ost-Konsortium. Und die Westfirmen hatten sich fast alle mit Ostunternehmen zusammengetan. Jetzt also, wo sich Ost- und Westlobbyisten mühsam geeinigt hatten, sollen Finnen und Türken als lachende Dritte den Sieg davontragen? Zum Glück hat die deutsche Bauwirtschaft noch einen Lobbyisten in Petto: Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) versprach gestern vor der Belegschaft des Chemiewerkes Buna in Schkopau, mit Gorbatschow über die „ärgerliche Diskussion“ zu reden.

Die Auftragsvergabe an deutsche Firmen hat für die Bundesregierung allerdings nicht die allererste Priorität. „Hauptziel war, ist und bleibt, daß die Sowjettruppen schnellstmöglich abziehen“, sagte Möllemann. Möglicherweise passiert das schneller als — wie geplant — Ende 1994. Der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt sagte in einem Interview, „jemand, der nicht weit von Gorbatschow entfernt ist“, habe ihm gesagt, es sei als Termin dafür auch der 1.Januar 1994 denkbar.

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