Abstimmung im Bundesrat noch offen

■ In der Haupststadtfrage steht in der Länderkammer noch nichts fest/ Niedersachsen und Schleswig-Holstein könnten zum Zünglein an der Waage werden/ Nachdenken über Kompromiß

Berlin/Bonn. In der Frage des künftigen Parlaments- und Regierungssitzes gibt es in den Ländern derzeit noch keine sichtbare Mehrheit für Berlin oder Bonn. Dies geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse- Agentur bei den Landesregierungen vor. Danach ist noch nicht absehbar, wie eine Abstimmung im Bundesrat ausgehen würde. Für eine Mehrheit in der Länderkammer werden 35 Stimmen benötigt. Je nach Größe kann jedes Land sechs, vier oder drei Stimmen im Bundesrat vergeben.

Mehrere Landesregierungen, in denen die Meinungsbildung quer durch die eigenen Reihen geht, wollen sich erst noch festlegen. So will sich etwa das Kabinett in Baden- Württemberg an diesem Montag mit der Frage befassen. CDU-Regierungschef Erwin Teufel zählt zu den Bonn-Befürwortern, während andere Minister dem Berlin-Lager zugerechnet werden. Anders verlaufen die Fronten in Niedersachsen: Dort plädiert SPD-Ministerpräsident Gerhard Schröder für Berlin, sein Bundesratsminister Jürgen Trittin von den Grünen für Bonn. Offen ist auch noch die Haltung des Kabinetts in Schlewig-Holstein, wo sich Ministerpräsident Björn Engholm für Bonn ausgesprochen hat.

Eindeutig auf Bonn festgelegt haben sich bislang die Regierungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und im Saarland. Auch Bayerns Votum für die Stadt am Rhein gilt als sicher. An der Spitze der Berlin-Befürworter steht der eigene Senat. Die Berliner können aber auch ziemlich sicher mit den Stimmen der Regierungen in Hessen, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen rechnen. Eher wahrscheinlich, wenn auch noch nicht völlig klar ist das Votum Sachsens und Hamburgs für Berlin. Für eine ausreichende Mehrheit reicht diese Ausgangslage jedoch keinem der beiden Lager. Für den Ausschlag bei der Abstimmung könnten am Ende die sechs Stimmen aus Niedersachsen und die vier Stimmen aus Schlewig- Holstein sorgen, falls Baden-Württemberg schließlich Bonn unterstützt. Angesichts des sich abzeichnenden knappen Ausgangs im Bundesrat und im Bundestag wird auch auf Länderseite inzwischen über mögliche Kompromißmöglichkeiten nachgedacht. Die Länderregierungschefs wollen an diesem Donnerstag in Bonn über das weitere Vorgehen sprechen. Die Verfassungsorgane hatten sich im April darauf geeinigt, daß der Bundestag am 20. Juni und der Bundesrat einen Tag später abstimmen.

SPD-Chef Hans-Jochen Vogel hat sich am Sonnabend erneut nachdrücklich für Berlin als Parlaments- und Regierungssitz ausgesprochen und eine Entscheidung noch in diesem Juni verlangt. Auf einem Empfang für den vor 40 Jahren gegründeten Bund der Berliner sagte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, früher sei die politische Situation Berlins Prüfstein der Entspannungspolitik gewesen, heute sei die Frage des Regierungssitzes zum Prüfstein der Einheit geworden. Wer gegen Berlin stimme, riskiere die ökonomische und gesellschaftliche Teilung des Landes. dpa/taz