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Sich einmischen

■ betr.:"Nerven behalten" von Udo Knapp sowie Berichterstattung über den Grünen-Parteitag,taz vom 29./30.4.91 ff

betr.: „Nerven behalten“ von Udo Knapp sowie Berichterstattung über den Grünen-Parteitag,

taz vom 29./30.4.91 ff

Ausnahmsweise kann ich dem „Realo-Querdenker“ Udo Knapp in wesentlichen Punkten seiner Bewertung der grünen Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) in Neumünster zustimmen: Aller Wahrscheinlichkeit nach war Neumünster die allerletzte große „Fundi-Realo-Schlacht“; jenseits von Jutta Ditfurth und Co. zeigte sich eine sehr breite Mehrheit für grüne Reformpolitik von Ludger bis Antje Vol(l)mer; die Realos (diesmal zusammen mit dem „Aufbruch“) haben bei der Vorstandswahl wieder einmal alles auf eine Karte gesetzt — und prompt verloren.

Es sind darüber hinaus auch wichtige Satzungsänderungen verabschiedet worden, die die Arbeit des grünen Bundesverbandes wesentlich verbessern können: Statt des wenig arbeitsfähigen Bundeshauptausschusses ein Länderrat mit Parlamentarierbeteiligung, Abschaffung der Rotationspflicht, die Möglichkeit zur Urabstimmung ist deutlich erleichtert worden.

Auf dieser breiten reformpolitischen Basis wäre es auch möglich gewesen, einen Bundesvorstand zu wählen, der die Partei in ihrer großen Mehrheit sowohl nach innen wie auch nach außen repräsentieren kann und der somit auch Ausdruck eines Neuanfangs hätte werden können. Daß dies nicht zustandekam, liegt weniger an „den Bundesgrünen“ [...] noch an Jutta Ditfurth, sondern an dem unverantwortlichen Verhalten der reformpolitischen Strömungen:

Realos und Aufbruch haben im Vorfeld der Versammlung die Kooperationsbemühungen des Linken Forums ausgeschlagen (zum Beispiel noch in Gütersloh auf der NRW-Landesversammlung) und statt dessen mit einer publizistischen „Friß oder stirb“-Strategie versucht, ihre Vorstellungen der aktiven Grünen-Basis aufzudrücken (die mit antiautoritärem Impuls schon immer allergisch auf Diktate reagierte). Zum „Ausgleich“ sind in Neumünster dann Teile der sich in den Landesverbänden für eine Konsenspolitik einsetzenden Reformlinken in einen verrückten Wettstreit mit Jutta Ditfurth und Co., wer der Radikalste ist in diesem Land, getreten. Fragen, wie die der teilweisen Öffnung des Bundesvorstandes für Parlamentarier werden geradezu als Glaubensfragen behandelt — als wenn die Chancen beispielsweise Antje Vollmers in Neumünster als Bundestagsabgeordnete auch nur ein Stückchen besser gewesen wären, als ohne Mandat.

Die Stimmung an der grünen Basis ist mies. Der Landesverband Thüringen, dessen Vertreter in Neumünster noch erfolgreich mit die Vertretung von MdBs im Bundesvorstand verhinderten, will gar wieder austreten. Mit „Boykottiert das Hauptquartier“, ließen sich viele dieser Basisreaktionen überschreiben. Dies bedeutet aber, die grüne Bundespolitik völlig den Strömungsfürsten auszuliefern, die auch in Neumünster wieder versagt haben. Statt dessen sollte „Stürmt das Hauptquartier“ oder besser noch „Instandbesetzt es“ angesagt sein. [...]

Schließlich: Bei allem Frust über die Unmenge verpaßter Chancen: In welchem anderen bedeutenden Lande haben grün-alternative Bewegungen vergleichbare Arbeitsbedingungen und Einwirkungsmöglichkeiten wie bei uns? Und: Die Grünen sind überflüssig, weil die anderen Parteien ihre Themen besetzt haben? Was bewirkte denn deren Politik in Sachen Golfkrieg, Klimakatastrophe (Bangla Desh!), deutsche Vereinigung?

Sich in die grüne (Bundes)Politik einzumischen ist hart und oft auch ätzend — sie durchgeknallten Strömungshäuptlingen zu überlassen, kann ich für mich zumindest nicht verantworten. Horst Schiermeyer, Bielefeld, grüner (Ersatz)Delegierter in Gütersloh und Neumünster

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