Humboldt-Zukunft heute im Senat

■ Wissenschaftssenator Erhardts umstrittenes Hochschulergänzungsgesetz heute in der Landesregierung/ Akademischer Senat der Humboldt-Uni gegen Zurücknahme der Autonomie

Berlin. Heute soll das Hochschulergänzungsgesetz des CDU-Wissenschaftssenators Manfred Erhardt vom Senat verabschiedet werden. Schon im Vorfeld war die Gesetzesvorlage, die für eine Übergangszeit die Verhältnisse an den Hochschulen im Ostteil der Stadt regeln soll, heftig umstritten. Bisher jedoch hatte Erhardt darauf verzichtet, die Fachsprecher der Fraktionen, auch nicht den des Koalitionspartners SPD, zu konsultieren. Letzte Woche reagierte daraufhin die SPD mit deutlicher Kritik auf den Gesetzentwurf.

Auch der Akademische Senat der Humboldt-Universität hält den Entwurf »in seinem grundsätzlichen Ansatz für verfehlt«. Dem Kuratorium, das der Humboldt-Universität mit dem Überführungsgesetz zugestanden worden war, würden wesentliche Funktionen entzogen. Sämtliche Personalangelegenheiten sollen in die Händes des Senators übergehen. Fachbereichsräte und andere Gremien haben danach nicht mehr die im Westen üblichen Entscheidungskompetenzen. Berufungsvorschläge, sonst den Fachbereichsräten vorbehalten, sollen die Struktur- und Berufungskommissionen übernehmen, deren Mitglieder vom Senator berufen werden.

Selbst Hochschullehrer der Humboldt-Universität würden entsprechend einem Absatz des Gesetzentwurfes erst dann die ihnen zustehenden Rechte erhalten — zum Beispiel die Übernahme leitender Positionen —, wenn sie neu berufen werden und somit als »Hochschullehrer neuen Rechts« gelten. Damit würden, wie die SPD betonte, alle wichtigen Entscheidungen über den Erneuerungsprozeß der Hochschulen in den Zuständigkeitsbereich der Landesregierung fallen.

Der HUB-Fachbereich Sozialwissenschaften schreibt in einem offenen Brief an Erhardt, daß die Gesetzesvorlage praktisch einem Abwicklungsverfahren entspricht. Weiter kritisieren die Sozialwissenschaftler die geplante radikale Reduktion des wissenschaftlichen Mittelbaus. Die SPD hatte gefordert, daß dieser Prozeß sozial verträglich und mit mehr Rücksicht auf den Erhalt der Lehrfunktionen gestaltet werden müsse.

Auch die Gewerkschaft GEW hatte davor gewarnt, daß es mit dem Ergänzungsgesetz zu einer »zweiten Abwicklungswelle« oder einer versteckten »Novellierung« des Berliner Hochschulgesetzes kommt. Neben den Einschränkungen der Autonomierechte Ostberliner Hochschulen ist die Schließung der Kunsthochschule Weißensee geplant. Außerdem sollen die Studienplätze der Stadt von derzeit 150.000 um 40.000 verringert werden, was dem abzusehenden Anstieg der Studentenzahlen widerspricht. anbau