piwik no script img

Griechische Knackis nutzen Frühling

Athen (taz) — 31 Häftlinge des „sichersten“ Gefängnisses in Griechenland nutzten den letzten Sonntag zu einem Trip weg vom grauen Alltag. Ohne größere Hindernisse gelang ihnen die Flucht aus ihren Zellen. Drei der Ausflügler schafften jedoch nicht den Sprung ins Freie, zehn wurden umgehend geschnappt, während die Jagd der Polizei auf die restlichen Flüchtigen noch anhält. Dieser erneute Massenexodus aus dem Athener Staatsgefängnis Korydallos setzt eine Tradition fort, die im November letzten Jahres ihren Anfang nahm. Insgesamt gab es seither sechs gelungene Fluchtversuche, den aufsehenerregendsten davon im Dezember 1990, als gleich 81 Häftlinge unter den Augen der Wachposten ungeniert in die Freiheit marschierten. Das Justizministerium beeilte sich zu betonen, daß es bisher „wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Lage nicht möglich war, das nötige Wachpersonal einzustellen“. Mit einer größeren Anzahl an Uniformierten zum Schutz der Gefängnisse ist jedoch auch den Insassen nicht gedient. Sie haben gute Gründe, ihre Zellen auch auf unorthodoxe Weise zu verlassen. In den Strafanstalten und Zuchthäusern Griechenlands herrschen katastrophale Zustände, die Strafgesetzgebung benötigt dringend radikale Reformen. Mit wochenlang anhaltenden Revolten hatten im letzten Herbst Tausende Mithäftlinge im ganzen Land auf ihre Misere aufmerksam gemacht: die Gefängnisse sind hoffnungslos überbelegt, die Verköstigung ist unzureichend, es fehlt an geschultem Gefängnispersonal, an Psychiatern, Ärzten und Sozialarbeitern. Geringfügige Änderungen im Strafrecht, die die revoltierenden Häftlinge im Dialog mit dem relativ kompromißbereiten Justizminister Kannelopoulos durchsetzen konnten, machen den Gefängnisalltag kaum erträglicher. Noch im Mai soll im griechischen Parlament der Entwurf für ein neues Strafgesetz debattiert werden, das einige positive Elemente enthält. Eine der Hauptforderungen der Gefängnisinsassen vom letzten Jahr bleibt dabei jedoch unberücksichtigt: Die „Lebenslänglichen“ haben erst nach 20 Jahren Knast die Möglichkeit, einen Antrag auf Entlassung zu stellen. Robert Stadler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen