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Jäger wollen streunende Haustiere erlegen

■ Ehemaliger Abgeordnetenhaus-Präsident will mit der Waffe die Tiere des Waldes bezwingen/ Der Landesjagdverband versucht Gesetzentwurf der Umweltverwaltung und der Berliner Forsten zu kippen/ Kungelei bootet Umweltverbände aus

Berlin. Peter Rebsch, ehemaliger Präsident des Abgeordnetenhauses und jetziger Vorsitzender des Landesjagdverbandes, will sich mit seinem Gewehr und zusammen mit ebenfalls bewaffneten Verbandsmitgliedern im Grunewald, Spandauer Forst und in anderen Erholungswäldern auf die Fährte von Hunden, die sich außerhalb »der Einwirkung ihrer Herren« befinden, und Katzen, die sich weiter »als 200 Meter vom nächsten Haus« befinden, begeben. Sollten die Waidmänner auf das streunende Großstadtgetier stoßen, soll es getötet werden.

Ebenfalls zum Abschuß freigegeben ist eine gewisse Anzahl Schalenwild je nach Farbe und Größe des Gehörns — der »Kopfschmuck« und die Unterkiefer müßten auf Verlangen der Jagdbehörde auf sogenannten Hegeschauen präsentiert werden. Die erbeuteten Knochen-Trophäen würden nach internationalem Punktesystem mit Medaillen belohnt. Dies alles sieht ein Gesetzentwurf des Landesjagdverbandes vor.

Ein im letzten Jahr von der Umweltverwaltung und den Berliner Forsten erarbeiteter Entwurf eines Jagdgesetzes, das die Jagdaufsicht bei den Förstern belassen will, gefällt Rebsch nicht. Seine Kontakte zur Umweltverwaltung kamen dem Mitglied des Abgeordnetenhauses (CDU) bei seiner vorgelegten Fassung eines Jagdgesetzes ausgesprochen gelegen: Die zuständige Abteilung der Umweltbehörde — die Jagdbehörde — schickte den nichtöffentlichen Gesetzestext seinem Verband im November letzten Jahres zu und bat um eine Stellungnahme, erzählt der Jurist.

»Das ist ein internes Diskussionspapier«

Statt einer Stellungnahme kam von dem Verband gleich ein Gegenentwurf. Burkhardt Schenk, Autor des Textes, ist allerdings nicht erbaut darüber, daß der taz das 26seitige Papier vorliegt. »Das ist ein internes Diskussionspapier«, erklärte er unwirsch. Allerdings will Schenk besagtes »Diskussionspapier« nicht nur als behördeninternes Papier verstanden wissen. Dennoch möchte er sich nur zögernd über seinen »Entwurf eines Berliner Landesjagdgesetzes« äußern. Über vieles werde sich noch auseinandergesetzt und manches sei so nicht mehr gemeint, versucht er sich aus der Affäre zu ziehen. Der gemeinsame Entwurf der Berliner Forsten und der damals noch von der AL-nahen Schreyer geführten Umweltverwaltung sei jedenfalls nur bedingt brauchbar, weil Förster und Verwaltungsbeamte wenig vom Jagdgeschäft verstünden.

Zumindest die Kritik an die Adresse der Förster scheint ein wenig überheblich zu sein. Seit der Teilung Berlins üben im Westteil die Waldpfleger das Jagen auf den knapp 8.000 Hektar großen Waldflächen aus. Die Alliierten durften unter ihrer Führung ebenfalls Tiere erlegen. Im Gegensatz zu Jagdgesellschaften ist es ihre Aufgabe, die Erholungswälder zu erhalten. Der unter Schreyer erarbeitete Gesetzentwurf erlaubt ebenfalls privaten Jägern, dem Wild nachzustellen — mit dem Unterschied, daß die Aufsicht beim Förster bleibt.

Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Jagdvereinigungen würden die Waldflächen nicht auf zehn Jahre verpachtet, sondern es gebe für jeweils ein Jahr eine Jagderlaubnis. Würde dieser Entwurf verabschiedet, müßten sich die Jagdgesellschaften im Ostteil an die Aufsicht der Förster gewöhnen. Zur Zeit gilt auf den dortigen 9.000 Hektar ein entsprechender Passus des Einigungsvertrages — bis das Landesjagdgesetz verkündet wird.

Es versteht sich von selbst, daß die Waldmeister um ein natürliches Gleichgewicht zwischen Tier- und Pflanzenwelt bemüht sind — im Gegensatz zu den pirschenden Waffennarren. Der Gesetzentwurf des Jagdverbandes gibt zwar auch vor, »die Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege verwirklichen« zu wollen, doch »in Notzeiten hat der Revierinhaber für eine ausreichende Fütterung in seinem Jagdbezirk zu sorgen«. Insider behaupten, daß es in den Berliner Forsten gar keine Notzeiten gebe. Futternot entstehe nur dann, wenn Jäger Wild aussetzen, um bei der Pirsch auch genügend Dammwild vor Kimme und Korn zu bekommen. Genau das aber wollen Rebschs Gefolgsleute. Wenn die Jagdbehörde es genehmigt, sollen gebietsfremde Tierarten ausgesetzt werden dürfen, solange dies der Land- und Forstwirtschaft nicht schadet, und heimisches Wild darf mitgebracht werden, wenn es »aus Gründen der Jagdpflege notwendig ist«.

»... aus Gründen der Jagdpflege notwendig«

Die Jagdbehörde ist gegenüber diesen Genehmigungen nicht sonderlich kritisch eingestellt. Heidemarie Neumerkel, Chefin der Behörde, gibt zu Bedenken, daß die Wilddichte in den Wäldern im Westteil geringer als in privaten Revieren sei. »Förster haben andere Interessen«, stellt sie fest und begründet damit auch, daß sie den hausinternen Entwurf den Grünröcken zur Stellungnahme gegeben habe. Das CSU-geführte Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten habe sich laut Neumerkel ohnehin gewundert, daß dies nicht schon viel eher geschehen sei.

Die Behördenchefin und seit April vom Jagdverband geprüfte Jägerin wird hinter ihrem Verwaltungsschreibtisch vermutlich mit einigen Umweltverbänden Ärger bekommen. »Wenn ein Verband zur Stellungnahme gebeten wird, dann bitte alle«, fordert Eva Springer vom BUND.

Seit September letzten Jahres gilt das Berliner Naturschutzgesetz, das die Beteiligung zugelassener Verbände »bei der Vorbereitung von Vorschriften des Landesrechts, deren Erlaß die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege dienen«, zwingend vorschreibt. In diesem Fall müssen neben dem Landesjagdverband sieben weitere Verbände — von der Baumschutzgemeinschaft bis zum Volksbund Naturschutz — beteiligt werden. Heidemarie Neumerkel verspricht, daß die sieben Verbände in »einer nächsten Phase« beteiligt würden. Vorher wolle man den Hausentwurf zusammen mit dem Landesjagdverband doch nur »in Form bringen«. Dirk Wildt

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