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Hunger, Typhus und Cholera

■ Ärztekammer berichtete über Hilfe an der kurdisch-irakischen Grenze/ Berliner spendeten eine Million

Berlin.Mehreren hundert lebensberohlich erkrankten kurdischen Patienten konnte im Rahmen der Aktion »Berliner helfen Kurden« bereits geholfen werden. Dies berichtete gestern eine Gruppe von Ärzten und Schwestern, die drei Wochen in Südostanatolien an der türkisch-irakischen Grenze im Einsatz waren. Wie Helmut Becker, Vorstandsmitglied der Ärztekammer, zudem mitteilte, spendeten die Berliner in den letzten vier Wochen rund eine Million Mark für die medizinische Versorgung der kurdischen Flüchtlinge.

Die beiden Krankenschwestern Christine Posselt und Magdalena Rösch sowie Kinderarzt Wolf-Rainer Cario, Assistenzarzt Reinhardt Kreibig, Internist Hassan Mohammed Ali und der Anästhesist und AL- Abgeordnete Bernd Köppl reisten am 25. April über Dyabakir nach Batman. Dort befindet sich das Einsatzzentrum der Bundeswehr-Luftwaffeneinheiten zur medizinischen Versorgung der Flüchtlingscamps.

Als das Team an der Grenze eintraf, waren dort mehr als 350.000 Menschen in acht riesigen Lagern untergebracht. In den Zelten fanden die Helfer schwersterkranke Kinder vor, meist zu zweit oder zu dritt in einem Bett. Die meisten litten an schwerer Austrocknung, Lungenentzündung, Darmerkrankungen Typhus und zuletzt auch Cholera.

Viele Kinder waren fast verhungert. Die Ärzte berichteten von einem 7 Monate alten Kind, das bei der Aufnahme nur 2.600 Gramm wog. Vordringlichste Aufgabe beim Aufbau des Lazaretts war deshalb, neben der laufenden Versorgungsarbeit, die Einrichtung einer Kinderabteilung mit 40 Betten. Eingerichtet wurden auch Ambulanzen für innere Medizin und Kinderheilkunde. Nach einer Woche waren alle Bereiche des Lazaretts voll funktionsfähig.

Dennoch funktionierte bei weitem nicht alles reibungslos. In der ersten Woche hatten die Zelte kein elektrisches Licht, nachts wurden die Infusionen oft im Taschenlampenlicht angelegt. Die Angehörigen der Patienten lagen oder saßen auf, neben oder in den Betten und mußten vom Pflegepersonal beiseite geschoben werden, um an die Kinder heranzukommen.

Die Temperaturen in den Zelten schwankten zwischen 0 und 40 Grad Celsius. Viele Kinder waren morgens völlig unterkühlt, die Bereitstellung von Wärmebetten konnte in den drei Wochen jedoch nicht realisiert werden. Auch die avisierten Dusch- und Toilettencontainer erreichten das Lazarett nicht, die hygienischen Bedingungen waren anfangs katastrophal.

Die Ärzte hatten den Eindruck, daß ihre Hilfe von den türkischen Militärs nicht begrüßt wurde. In den ersten Tagen seien sogar Scheinangriffe auf nahegelegene Camps geflogen worden. Das Berliner Team hob gestern besonders das Engagement der einheimischen Ärzte und Schwestern hervor. Als die Berliner nach drei Wochen ausreisten, so gestern Kinderarzt Cario, habe das von ihnen errichtete Lazarett das Image der einzigen leistungsfähigen Einrichtung in dieser Region gehabt. maz

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