: Der Kurzwellenreiter
■ „Hart auf Sendung“ von Allan Moyle
Ich hasse die 60er, die 70er, 80er und auch die 90er, ich hasse es, jung zu sein. Jungsein ist manchmal weniger komisch als totsein.“ Happy Harry mit dem Harten nennt sich der Typ der mit solchen Worten seinen Frust in den Äther rotzt. Privat ist Happy Harry der schüchterne Mark Hunter, ein ganz normaler Jugendlicher mit ganz normalen Problemen in einem Nest in Arizona. Freunde hat er keine, dafür aber einen Kurzwellensender. Jede Nacht, pünktlich um 22 Uhr, geht der Pirat auf Sendung, redet über Einsamkeit, Sex, die verfluchte High-School und das „Land der begrenzten Unmöglichkeiten“. Garniert wird das Ganze mit wüster Musik und derben Sprüchen. Zum Schluß schaltet er auf Handbetrieb und simuliert wild stöhnend einen Orgasmus. Die Kids lieben Happy Harry.
Hart auf Sendung ist ein amerikanischer Teenager-Film, aber endlich mal einer ohne diese Wen-nehme- ich-bloß-mit-zum-Abschlußball- Kaugummidramatik. Der kanadische Autor und Regisseur Allan Moyle zeigt die Kinder der Woodstock-Generation und den Kleinstadtmief Amerikas. Die schlaff gewordenen 68er haben es nicht geschafft, ordentlich durchzulüften, ihr Nachwuchs kommt sich genauso verraten und verkauft vor wie sie selber in früheren Zeiten. „Jemals das Gefühl gehabt, daß in Amerika alles komplett im Arsch ist?“ fragt Harry.
Der Kurzwellenreiter ruft zur Rebellion auf: „Es ist zum Kotzen, ein Teenager zu sein, aber eben darum geht's ja. Weglaufen macht dich nicht stärker. Bleib da und gib's ihnen!“ Das paßt den Eltern und Lehrern natürlich nicht. Als ein Schüler, der mit Harry während seiner Sendung telefoniert hatte, Selbstmord begeht, machen Schulleitung und Behörden den aufmüpfigen Schwarzfunker dafür verantwortlich. Die Jagd auf Happy Harry ist eröffnet.
Star des Films ist der 21jährige Christian Slater, bei uns bekannt als sündhafter Novize in Der Name der Rose, in den Staaten wird er aufgrund seines diabolischen Grinsens schon mit Jack Nicholson verglichen. Slater explodiert vor dem Mikrophon, seine Schauspielerkollegen, unter ihnen Frank Zappas zweiter Sohn Ahmet, agieren als Stichwortgeber. Hinzu kommt die Musik: 60er-Jahre-Hippie-Musik (Harry kennt sich aus in der Plattensammlung seiner Eltern), amerikanische Indie-Combos, knochenharter Rap von den „Beastie Boys“ über „Ice-T“ bis zu den Balladen der „Cowboy Junkies“. Als Leitmotiv wählte Allan Moyle einen Leonard- Cohen-Klassiker: „The poor stay poor, the rich get rich. That's how ist goes. Everybody knows.“ Karl Wegmann
Allan Moyle: Hart auf Sendung , mit Christian Slater, Samantha Mathis, Ahmet Zappa u.a., USA 1990, 90 Min.
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