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: Europa — keine Chance

■ Der Binnenmarkt ohne Grenzen bringt Nomaden keine Vorteile

Einer der wichtigsten Schritte in der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft ist der freie Verkehr von Kapital, Waren und Arbeitskräften ab 1992. Bestimmte Gruppen — vor allem an der europäischen Peripherie — haben dabei jedoch böse Vorahnungen. In Irland, wo Wirtschaft und soziale Struktur durch Massenauswanderung empfindlich aus dem Gleichgewicht gebracht worden sind, würden viele Menschen ein Recht auf Nicht-Emigration vorziehen — doch aufgrund der wirtschaftlichen Lage und der Arbeitslosigkeit werden sie auch weiterhin gezwungen sein, auszuwandern. Das Recht auf freien Verkehr von Arbeitskräften ist auf das Kapital, das an einem Heer billiger Arbeitskräfte interessiert ist, und auf die hochqualifizierten Arbeitskräfte zugeschnitten, die wählen können, ob sie auswandern möchten.

Auf den ersten Blick scheint es, daß auch andere Gruppen von einem Europa ohne Grenzen profitieren werden: Roma, Sinti und die irischen Traveller (Fahrenden). Doch in der Europäischen Charta geht es keineswegs um die Rechte von Nomaden, die selbständig sind oder nur saisonal arbeiten, sondern um die Rechte von Arbeitskräften in herkömmlichen Anstellungen. Nomadentum ist das Merkmal der Kultur von Roma, Sinti und Traveller, das in einer Welt der Seßhaften seit Jahrhunderten auf Ablehnung stößt. Die Gesellschaften behindern, verbieten und kriminalisieren Nomadentum. Roma, Sinti und Traveller werden als soziale Einzelgänger, Abweichler und Vagabunden betrachtet. Darin sind sich Rechte und Linke einig. Laut eines Berichts des Europäischen Parlaments haben Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den letzten Jahren sogar noch zugenommen.

Die neue Bewegungsfreiheit in Europa ist ein Exklusivrecht für ausgewählte Gruppen. Während immer mehr Menschen aus Osteuropa in den reichen Westen drängen, weil sie auf Arbeit und ein besseres Leben hoffen, schützt sich die EG durch Gesetze vor dem unerwünschten Zustrom. Doch die „Festung Europa“ dichtet sich nicht nur nach außen ab: Schengen und Trevi richten sich auch gegen Roma, Sinti und Traveller. Die jüngsten Ereignisse in Osteuropa sollten eine Warnung sein, daß es keine Gleichheit und Gerechtigkeit geben kann, solange die Probleme ethnischer Gruppen und die Rechte von Minderheiten ignoriert werden. Die Unfähigkeit der EG-Staaten, kreativ und fair auf die Bedürfnisse von Roma, Sinti und Travellers einzugehen, wirft ein Licht darauf, wie diese Staaten mit anderen Randgruppen umgehen werden. John O'Connell

Der Autor ist Direktor der „Dublin Travellers Education and Development Group“ (DTEDG)