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Kammergericht wieder an alter Stätte

■ Rechtsausschuß besichtigte ehemaliges alliiertes Kontrollratsgebäude/ Teil des Kammergerichts soll noch dieses Jahr dort einziehen/ Bündnis 90/ Grüne fordern NS-Dokumentationszentrum in Berlin

Schöneberg. Nicht wie üblich im Rathaus Schöneberg, sondern im ehemaligen alliierten Kontrollratsgebäude am Kleistpark fanden sich gestern die Abgeordneten zur turnusmäßigen Sitzung des Rechtsausschusses ein, um sich vor Ort über die geplanten Umbaumaßnahmen zum Kammergericht informieren zu lassen. Der monumentale Neobarockbau war vor 90 Jahren bereits für das Kammergericht errichtet worden. Von 1945 bis zum 3. Oktober 1990 war es von den Alliierten belegt gewesen, zunächst vom alliierten Kontrollrat und später von der Luftsicherheitszentrale. Während des Nationalsozialismus im Jahr 1944 war es für kurze Zeit auch grausame Wirkstätte des Volksgerichtshofs unter dem Vorsitzenden Roland Freisler, der den Grafen Claus Schenk von Stauffenberg und viele andere wegen des mißglückten Attentats auf Hitler in einem Schauprozeß zum Tode verurteilte.

Daß aus »diesem Haus des Rechts« ein »Haus des Unrechts gemacht worden war«, ließ den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Hubert Rösler (CDU) gestern von einem »Gefühl der Beklemmung« sprechen. Nicht so sein Parteikollege Ekkehard Wruck, der lieber in die preußische Geschichte des Kammergerichts zurückschweifte und von einem »historischen Tag« sprach. Wruck gab eine Mär von Friedrich dem Großen zum besten, der gegen einen Müller wegen einer Mühle im Schloß Sanssouci vor dem Kammergericht einen Rechtsstreit verlor, mußte sich aber vom FDP-Abgeordneten Axel Hahn eines anderen belehren lassen. In Wirklichkeit, so Hahn, fand der Streit nicht in Sanssouci, sondern in Neumark zwischen dem Müller und einem Pachtherrn statt.

Renate Künast von Bündnis 90/ Grüne nutzte die Gelegenheit lieber dazu, die Einrichtung eines NS-Justiz-Dokumentationszentrums in Berlin zu fordern.

Bei einem anschließenden Rundgang durch das Gebäude, an dem auch die Präsidentin des Kammergerichts, Gisela Knobloch, teilnahm, konnte der Plenarsaal besichtigt werden, in dem der Volksgerichtshof getagt hatte, sowie die ehemaligen Büroräume der Alliierten und der seit 1945 stillgelegte Wirtschafts- und Bibliothekstrakt. Noch in diesem Jahr sollen 55 der 305 vorhandenen Räume für einen Teil des Kammergerichts hergerichtet sein, das zur Zeit auf vier Standorte in der Stadt verteilt ist. Beim Umbau wird auch die in einem der Räume von den Alliierten installierte Sauna dran glauben müssen, die die Phantasie der Abgeordneten gestern mächtig anregte. Während Albert Eckert (Bündnis 90/ Grüne) und Hubert Rösler ein Erhalt der Sauna zur Förderung des Betriebsklimas wünschenswert erschien, plädierte der CDU-Abgeordnete Bernd Pistor im Scherz für einen Umbau »als Folterkammer«. plu

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