: Wilhelm Pieck bleibt!
■ Bezirk Mitte läßt den DDR-Gründervater auf dem Schild/ Grotewohl mußte der Toleranz weichen
Mitte. Am späten Donnerstagabend entschied die Bezirksverordnetenversammlung Mitte über die ersten Schritte der Revision auf den Straßenschildern im Zentrum. Überraschendes Ergebnis: Wilhelm Pieck bleibt, die Rückbenennung in Elsässer/Lothringer- Straße wurde abgelehnt — für die Beibehaltung des alten Namens votierten 37 der 68 Bezirksverordneten. Ebenso unerwartet kam die Umbenennung der Otto-Grotewohl-Straße in Toleranzstraße. 40 Abgeordnete stimmten für diesen Vorschlag des Bündnis 90, der der dort ansässigen Treuhandanstalt nun eine neue treffliche Adresse beschert. Detlev-Rohwedder- Straße, Profit-Schneise respektive Gesundschrumpf-Allee wären allerdings die konsequenteren Wende-Varianten gewesen. Der Platz der Akademie bekommt seinen alten staatstragenden Namen Gendarmenmarkt zurück, veradelt wurde die Hermann-Matern- Straße, sie heißt wieder nach Königin Luise. Für Tumult in der BVV sorgte ein weiterer Umbenennungsantrag der CDU für insgesamt neun Straßen und Plätze in Mitte. Unter anderem wurde vorgeschlagen, die nach der ermordeten Widerstandskämpferin Käthe Niederkirchner benannte Straße in Prinz- Albrecht-Straße rückzubenennen. Hier hatte während der Nazi-Herrschaft die Gestapo ihre Folterzentrale. Heute liegt hier die Gedenkstätte »Topographie des Terrors«. Erstmals wurde damit jetzt auch angefangen, Straßen im Westteil in die Säuberung einzubeziehen. Ein Abgeordneter der SPD verurteilte das Ansinnen als »historische Ignoranz«. Der Antrag wurde abgelehnt. Rechtsautoritäres Gekläff zu hören war nach der Entscheidung in Mitte erneut vom Berliner Schilderschmierer und CDU-Bundestagsabgeordneten Jochen Feilcke (der bekanntlich ja in Selbstjustiz per Überkleben die Grotewohl- schon in Wilhelmstraße rückbenannt hatte). »Wahnsinn mit Methode« sei der »hirnrissige Vorschlag« einer Toleranzstraße, die »Berlin in ganz Deutschland lächerlich« mache. Damit werde die »Teilung der Stadt durch Straßennamen fortgesetzt«. Mit Wilhelm Pieck werde ein »stalinistischer Verbrecher gegen die elementaren Menschenrechte weiter geehrt«. Schließlich holt Feilcke in falschem deutsch nochmal so richtig absolutistisch aus: »Das Abgeordnetenhaus muß die Straßenumbenennungskompetenz sofort dem Senat übertragen um weitere solche kindischen Streiche zu verhindern«. Streng demokratisch natürlich. kotte
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